Maria Kas­per: Was für eine gro­ße Zeit

Immer­zu stan­den wir in Kon­takt mit den ent­fern­tes­ten Aka­de­mien, Insti­tu­tio­nen und Auto­ri­tä­ten. Nicht nur aus dem abend­län­di­schen Welt­kreis, auch aus Indi­en, aus Chi­na, aus Afri­ka und von jen­seits des Atlan­tiks, von allen bekann­ten Tei­len der Welt erreich­ten uns die drin­gen­den und uner­hör­ten Sen­dun­gen und Nach­rich­ten. Manch­mal, so schien es, hat­ten sie Wochen und Jah­re gebraucht, waren durch wer weiß wie vie­le Hän­de gegan­gen, hat­ten unzäh­li­ge Gren­zen in für uns unvor­stell­ba­ren Win­keln der Welt über­schrit­ten: die Kni­cke und die auf­ge­schnit­te­nen und wie­der ver­kleb­ten Laschen, die in den Sicht­fens­tern ver­rutsch­ten Anschrif­ten, die ein­an­der rot und schwarz und grün über­kreu­zen­den Auf­dru­cke und Ver­mer­ke auf den Umschlä­gen und Behält­nis­sen erzähl­ten von wei­ten und aben­teu­er­li­chen Reisen.

Alles, was wir erfuh­ren, war neu und lohn­te allein des­we­gen die Beschrei­bung: Tier­ar­ten, die nur auf den ers­ten Blick ver­traut schie­nen. Spie­gel­bild­li­che Dop­pe­lun­gen. Gerät­schaf­ten und Hebel zur Über­lis­tung phy­si­ka­li­scher Geset­ze. Dro­gen, Möbel­stü­cke und Weis­hei­ten. Abbil­der der Welt. Objek­te, die sich mit erstaun­li­cher Strin­genz der Deut­bar­keit ent­zo­gen. Sil­ber­ne Her­zen und Messgeräte.

Alles sich­te­ten, ord­ne­ten und schich­te­ten wir sorg­fäl­tig. Und obgleich wir uns gele­gent­lich der Poe­sie des schie­ren zufalls­ge­woll­ten Neben­ein­an­der kaum zu ent­zie­hen ver­moch­ten, erprob­ten wir gewis­sen­haft Klas­si­fi­ka­tio­nen nach Art, Volu­men, Grö­ße, Far­be, Gewicht. Wir ent­wi­ckel­ten Nomen­kla­tu­ren, die es auch künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen leich­ter machen soll­ten, Din­ge wie­der auf­zu­fin­den, zu iden­ti­fi­zie­ren und Bezie­hun­gen her­zu­stel­len. Es füll­te uns ganz und gar aus, denn oft und oft stell­ten sich ver­wur­zel­te Pro­ble­me, so bald eine neue Sen­dung dazu­ge­kom­men war, die alle alten Kate­go­rien im Hand­streich in Fra­ge zu stel­len ver­moch­te. Alles begann von Neu­em und war doch um eines mehr gewor­den, wenn nicht reicher.

Und schließ­lich ist es so auf Euch gekommen.

Maria Kas­par [i.e. Eva-Maria Troelen­berg]: Was für eine gro­ße Zeit
in: Albert Coers: I SOLI­TI TITO­LI, Bie­le­feld 2011, S. 8–9.

Albert Coers: Diver­sa etno­gra­fi­ca, Instal­la­ti­on, Gale­rie der Künst­ler Mün­chen 2008
Albert Coers: Diver­sa etno­gra­fi­ca, Instal­la­ti­on, Gale­rie der Künst­ler Mün­chen 2008