17.1., Freitag
Die Postkarten des Art-Card-Projekts mit dem Motiv „Photographie“ aus Österreich kommen, in einem schönen Paket. Fotografiere das wiederum.
Lese (auf Twitter), dass David Lynch verstorben ist. Viele Referenzen auf Instagram. Eine von Daniela Comani, die „Wild at Heart“ empfiehlt. https://m.ok.ru/video/944502278681
Die Bilder vom Feuer passen auf seltsame Weise zu den Bränden in Los Angeles.
Abends seit langem wieder zum Sport. Kraft- und Beweglichkeitstraining mit Hadi aus Afghanistan. Seine mit Adern sichtbar durchzogenen Unterschenkel sind neiderweckend. Es tut gut. Und freue mich, als Paul bei einer Übung meint, ich hätte wohl zuhause geübt.
18.1., Samstag
Abends Superman-Film. E. hat das vorgeschlagen, in Bann des bevorstehenden Amtsantritts von Donald Trump, der schon als einer der Villains beschrieben wurde (Lex Luthor?), gegen die nur noch ein Superheld helfen kann. Wir sehen den ersten, aus den 1970ern, der laut eines Rankings im Internet immer noch der beste sein soll.
Sehr bühnenartig-theatralisch der Beginn, medial nicht uninteressant mit einer Staffelung der Ebenen: Eine Leinwand tut sich auf, hinter der ein Kinobildschirm sichtbar wird – auf dem ein Comic aus den 1930er-Jahren projiziert ist, in den die Kamera eintaucht. Dann lange Weltraum-Sequenzen, wie aus Raumschiff Enterprise, in die Title-Shots mit Namen eingebaut sind, die sich wie Raumschiffe bewegen. Das Weltall als Faszination, als Bedrohung und Hoffnung in den 70er Jahren.
Erinnere mich an einzelne Szenen, die ich schon einmal gesehen haben muss. Aber der breite, epische Einstieg auf Krypton, mit Marlon Brando als dem Vater – daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Die Geschichte eigentlich völlig absurd, ein modernes Märchen eben. Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen fällt mir ein, oder auch Parsifal: ein gutmütiger, nicht allzu heller Held mit Kräften, die er erst noch kennenlernen muss, verlässt seine Eltern, zieht in die Welt hinaus, um sein Glück zu finden, begegnet fremden Rittern, Zauberern.
19.1., Sonntag
Bereits im Bett Gedanken an Archiv-Ausstellung, und wie das Problem des Umgangs mit dem Material zu lösen ist. Dabei heute heller Sonnenschein.
Reinige meine angeschlossene Tastatur, drehe sie um und schüttle sie aus. Erstaunlich, was da alles zum Vorschein kommt, Schuppen, Haare, Staub. Verbringe schon sehr viel Zeit hier, mit ihr, vielleicht zu viel. Fotografiere die Haare, den Staub.
Am Pressetext für die Archiv-Ausstellung. Formuliere ihn ziemlich allgemein, erwähne aber die „Bitte nicht berühren!“ Schilder. Schicke ihn ab und bin recht zufrieden damit.
Damit ist allerdings noch nicht das Problem gelöst, welcher Schwerpunkt beim Heft zu wählen sei. Es gibt einfach zu vieles, was im Archiv interessant ist, ständig macht man neue Entdeckungen. Deshalb auch der Gedanke mit mehreren separaten Heften.
Man könnte mehrere Kapitel anlegen, die Serien hintereinanderschalten. Und/oder Text über die Bilder legen, collagieren.
Beginne den neuen Roman von Wolf Haas, „Wackelkontakt“. Raffinierte Konstruktion, Verfahren der Spiegelung, zwei Personen lesen abwechselnd in Büchern, in denen die Geschichte des jeweils anderen vorkommt. Erinnert etwas an Paul Auster; aber einfacher, selbstverständlicher. Spiel mit Sprach- und Dialektebenen: der eine ein Italiener, der Deutsch von einem Knastbruder gelernt hat und entsprechend deftig sich ausdrückt.
Elektrik: Versuche, die Loop-Antenne an der Hifi-Anlage auszurichten, um Empfang zu bekommen. Nach einigem Herumprobieren gelingt es, das Herumwickeln der dünnen Leitung um den Kunststoffring verbessert die Lage.
20.1., Montag
Traum: Es ist Krieg; Versuche ein Gebäude gegen einen Angriff vorzubereiten, die besten Positionen für Geschütze zu finden. Gebe Anweisungen: Hier, vor dieses Fenster-Erker, das nach drei Seiten öffnet, ein Maschinengewehr. Von hier aus hat man einen guten Blick in die Straße. Weiter hinten ein gläsern-metallisch schimmerndes Hochhaus. Dort wäre eine Stellung ebenfalls gut – aber ein Panzer, so wendet einer in Uniform ein, hätte leichtes Spiel mit dem freistehenden Gebäude.
Wir durchsuchen das Haus nach Brauchbarem, tragen Metallteile zusammen.
R. schreibt mir auf meinen Vorschlag zurück: Er findet die Bilder am Treppenaufgang doch am besten, kann mit den beklebten Treppenstufen nicht so viel anfangen. Hatte mir das schon gedacht. Jetzt ist es wenigstens klar.
Wiederum Gedanken an das Archiv. Das Heft könnte als Gang in und durch das Archiv aufgebaut sein: Kellergänge, Eingang, „Establishing shot“ in den Hauptgang, dann die Regale, Heranzoomen auf Details. Als letztes Bild „Notausgang“.
Noch eine Idee taucht auf: die Bilder könnte ich mit Texten aus dem Tagebuch überlagern, die sich mit dem Archiv beschäftigen…. Sozusagen die Verschränkung von zwei Archiven: meinem eigenen und das dem des Künstlerverbundes.
Sehe mir im Guardian Ausschnitte aus der Inaugurational Speech von Trump an. Ein Großsprecher! The Golden Age of America begins right now! From this day forward, our country will flourish and will be respected again. We will be the envy of every nation …“
Und im Anschluss Dutzende von Dekreten, Austritt aus dem Klimaabkommen, aus der WHO, Stopp von Zahlungen für Länder wie die Ukraine … Das lässt alles nichts Gutes hoffen, das auszusitzen zu können, sich irgendwie damit arrangieren zu können, diese Hoffung war trügerisch.
22.1. Mittwoch
Lese spätabends „Wackelkontakt“ von Haas fertig. Wirklich ein pageturner. Mit welcher Leichtigkeit er die komplizierte Spiegel-Konstruktion des Romans handhabt – fantastisch. Da ist der Rezension in der ZEIT nur zuzustimmen.
23.1. Donnerstag
Endlich Brief von der Unteren Denkmalbehörde im Briefkasten: Die Genehmigung für die Arbeiten am Salvatorplatz ist da. Allerdings in Form einer langen Auflistung von archäologischen Auflagen. Immerhin ist, wie schon im Mai angesprochen, eine Umplanung mit flacherem Fundament als Lösung aufgeführt.
Werde ganz nervös, da es jetzt weitergeht, weitergehen muss. Doch die technischen und organisatorischen Probleme werden nicht gering sein; eine Abwicklung durch die Stadt wäre mir am liebsten – ob die sich darauf einlassen werden? Schreibe ans Kulturreferat. Die Antwort sehr nett und optimistisch wie immer; und Zusage der Kostenübernahme für die Umplanung. doch deren Organisation und die weitere Ausführung wird weiter bei mir liegen, wegen des Generalunternehmervertrags. Habe ich mir schon gedacht.
Eröffnung in der Artothek München. Alix Stadtbäumer und Christian Engelmann: Uhlfelder. Skulptural gebaute Treppe, in eine Raumecke gelehnt, die sich auf die Rolltreppe im Kaufhaus Uhlfelder bezieht, das im selben Gebäude bis in die 1930er Jahre existierte.
Viele Leute, eigentlich eine Art Jahresempfang.
24.1. Freitag
Weitere Mails im Zusammenhang mit dem Denkmal; dann an den Texten für das begleitende Buch; Das Interview mit Jörg Scheller ist von Courtenay Smith englisch lektoriert, das Interview zwischen Florian Matzner und mir steht als nächstes an.
Postkarten-Idee zur Frage der Galerie Dr. Julius: What keeps you going? Daniela Comani hatte mich darauf hingewiesen. Antwort mit einem Bild?: Füße oder Wanderstecken?
Abends Training. Nehme „Zazi dans le métro“ mit, habe richtig Lust darauf, französisch zu lesen; und dann in der U‑Bahn… auch wenn es nur wenige Stationen sind.
Gutes Joga, mit klarer Anleitung.
25.1. Samstag
Traum: In einer leicht bergigen Gegend. Sehe von oben zwei lange Sattelzüge den Berg heraufkommen. Ich (mit E.) soll sie übernehmen und fahren. Setzte mich ans Steuer, hoch oben, suche nach dem Sicherheitsgurt; das Fahrzeug rollt schon, bergab. Suche nach dem Bremspedal, finde es nicht. Die Fahrt wird immer schneller. Ich soll auch wenden. Finde einen Gurt, an dem ich mit beiden Händen ziehe – die Bremse. Nach rechts in eine lange Einfahrt, immer noch mit hoher Geschwindigkeit. Komme dann aber zum Stehen, das Wendemanöver gelingt.
Durch ein Treppenhaus zu einer Rezeption. Ich werde gefragt, ob ich Filme per LKW oder per Rad ausliefern wolle. Es sind VHS-Kassetten, die Cover bunt, aus den 60er-70er Jahren, manchmal erotisch.
In die Antikensammlung, wo am Dienstag die Eröffnung der Ausstellung COMBO stattfinden wird, für die ich in einer Jury Künstler vorschlagen konnte.
Ins Lenbachhaus, München. Installation von Rosemarie Trockel und Thea Djordjadze. Dunkel, Fädenstränge sind durch den Raum gezogen, Leuchtbuchstaben. Dort hockt eine Frau auf einem Schaukelstuhl und starrt ins Leere. Ein Sockel-Becken mit einer Flüssigkeit, darauf schnurbespannte Bilder und Malerei, die an Kunst der 60er/70er Jahre erinnert. Atmosphärisch gelungen, ohne dass man das alles logisch zusammenbekäme — muss man ja auch nicht. Formal schon stimmig. Dass es Referenzen auf Rimbaud geben soll und sein Konzept von Schönheit — das erscheint mir aber etwas aufgesetzt und im Nachhinein konstruiert.
Surrealismus-Ausstellung im Kunstbau. Gefällt mir insgesamt sehr gut, wenn ich auch nicht alles aufnehmen kann. Sehr materialreich; Zeitungsausschnitte, Manifeste von Breton etc. auf Französisch. Vieles wusste ich so noch nicht; wer etwa noch alles an Bord des Schiffes war, mit dem Claude Levi-Strauss nach Südamerika fuhr. Erinnere mich an seine Beschreibung eines Sonnenuntergangs, von Wolken, sehr genau und dabei poetisch. Als Fahrt ins Exil habe ich das dabei nicht primär gelesen, eher als Forschungsreise.
Endlich Beitrag für Dr. Julius, eine Postkarte zum Thema „What keeps you going?“. Verwende die Nachrichten über Global Ranking-Verbesserungen, Spiel mit der Eitelkeit als Motivation fürs Weitermachen. Suche länger nach den Ausdrucken, in Ordnern, Schachteln. Es ist schon sehr viel Material hier verteilt.
26.1. Sonntag
Traum, mit viel Gewalt: In einer großen Halle finden Wettkämpfe zwischen Künstlern statt. Das Reglement sieht ein Duell mit Dartpfeilen vor, die abwechselnd aufeinander geworfen werden. Viele sitzen apathisch auf dem Boden, starren in ihre Smartphones oder Laptops. Die Teilnahme ist allerdings verpflichtend. In mir steigt Wut auf – muss ich da wirklich mitmachen? Wie leicht kann ich in der Brust getroffen werden.
Beim Aufräumen fallen mir Bücher in die Hände, andere suche ich.
Suche nach Büchern, „The Tracker“ von Tom Brown, das irgendwo im Regal sein muss. Finde statt dessen einiges andere, etwa „Der Wellenreiter“ von Dirk Knipphals, in das ich hinten Sätze der Hauptperson „Albert“ notiert hatte.
Weiter in „Zazie dans le métro“. Zazie büxt aus, lässt sich von einem Herren auf dem Flohmarkt eine Jeans kaufen, reißt damit aus…. Macht Spaß, und ich kann einigermaßen folgen, wenn ich nicht jedes Wort verstehen will. Suche im Internet nach einer Auflösung des ersten, phonetisch geschriebenen Wortes – „Doukipudonktan…“ und finde sie: D’ou qui pudent tant.
Diesen Eintrage schreibe ich spät, und er wird recht lang — immerhin eine Woche.