17.–26.1.25 Jour­nal — Post­kar­ten, Wackel­kon­takt, Denk­mal­schutz — und Surrealismus

17.1., Frei­tag

Die Post­kar­ten des Art-Card-Pro­jekts mit dem Motiv „Pho­to­gra­phie“ aus Öster­reich kom­men, in einem schö­nen Paket. Foto­gra­fie­re das wiederum.

Lese (auf Twit­ter), dass David Lynch ver­stor­ben ist. Vie­le Refe­ren­zen auf Insta­gram. Eine von Danie­la Coma­ni, die „Wild at Heart“ emp­fiehlt. https://m.ok.ru/video/944502278681

Die Bil­der vom Feu­er pas­sen auf selt­sa­me Wei­se zu den Brän­den in Los Angeles.

Abends seit lan­gem wie­der zum Sport. Kraft- und Beweg­lich­keits­trai­ning mit Hadi aus Afgha­ni­stan. Sei­ne mit Adern sicht­bar durch­zo­ge­nen Unter­schen­kel sind nei­derwe­ckend. Es tut gut. Und freue mich, als Paul bei einer Übung meint, ich hät­te wohl zuhau­se geübt.

18.1., Sams­tag

Abends Super­man-Film. E. hat das vor­ge­schla­gen, in Bann des bevor­ste­hen­den Amts­an­tritts von Donald Trump, der schon als einer der Vil­lains beschrie­ben wur­de (Lex Luthor?), gegen die nur noch ein Super­held hel­fen kann. Wir sehen den ers­ten, aus den 1970ern, der laut eines Ran­kings im Inter­net immer noch der bes­te sein soll.
Sehr büh­nen­ar­tig-thea­tra­lisch der Beginn, medi­al nicht unin­ter­es­sant mit einer Staf­fe­lung der Ebe­nen: Eine Lein­wand tut sich auf, hin­ter der ein Kino­bild­schirm sicht­bar wird – auf dem ein Comic aus den 1930er-Jah­ren pro­ji­ziert ist, in den die Kame­ra ein­taucht. Dann lan­ge Welt­raum-Sequen­zen, wie aus Raum­schiff Enter­pri­se, in die Title-Shots mit Namen ein­ge­baut sind, die sich wie Raum­schif­fe bewe­gen. Das Welt­all als Fas­zi­na­ti­on, als Bedro­hung und Hoff­nung in den 70er Jah­ren.
Erin­ne­re mich an ein­zel­ne Sze­nen, die ich schon ein­mal gese­hen haben muss. Aber der brei­te, epi­sche Ein­stieg auf Kryp­ton, mit Mar­lon Bran­do als dem Vater – dar­an kann ich mich nicht mehr erin­nern. Die Geschich­te eigent­lich völ­lig absurd, ein moder­nes Mär­chen eben. Von einem der aus­zog, das Fürch­ten zu ler­nen fällt mir ein, oder auch Par­si­fal: ein gut­mü­ti­ger, nicht all­zu hel­ler Held mit Kräf­ten, die er erst noch ken­nen­ler­nen muss, ver­lässt sei­ne Eltern, zieht in die Welt hin­aus, um sein Glück zu fin­den, begeg­net frem­den Rit­tern, Zauberern.

19.1., Sonn­tag

Bereits im Bett Gedan­ken an Archiv-Aus­stel­lung, und wie das Pro­blem des Umgangs mit dem Mate­ri­al zu lösen ist. Dabei heu­te hel­ler Sonnenschein.

Rei­ni­ge mei­ne ange­schlos­se­ne Tas­ta­tur, dre­he sie um und schütt­le sie aus. Erstaun­lich, was da alles zum Vor­schein kommt, Schup­pen, Haa­re, Staub. Ver­brin­ge schon sehr viel Zeit hier, mit ihr, viel­leicht zu viel. Foto­gra­fie­re die Haa­re, den Staub.

Am Pres­se­text für die Archiv-Aus­stel­lung. For­mu­lie­re ihn ziem­lich all­ge­mein, erwäh­ne aber die „Bit­te nicht berüh­ren!“ Schil­der. Schi­cke ihn ab und bin recht zufrie­den damit.
Damit ist aller­dings noch nicht das Pro­blem gelöst, wel­cher Schwer­punkt beim Heft zu wäh­len sei. Es gibt ein­fach zu vie­les, was im Archiv inter­es­sant ist, stän­dig macht man neue Ent­de­ckun­gen. Des­halb auch der Gedan­ke mit meh­re­ren sepa­ra­ten Hef­ten.
Man könn­te meh­re­re Kapi­tel anle­gen, die Seri­en hin­ter­ein­an­der­schal­ten. Und/oder Text über die Bil­der legen, collagieren.

Begin­ne den neu­en Roman von Wolf Haas, „Wackel­kon­takt“. Raf­fi­nier­te Kon­struk­ti­on, Ver­fah­ren der Spie­ge­lung, zwei Per­so­nen lesen abwech­selnd in Büchern, in denen die Geschich­te des jeweils ande­ren vor­kommt. Erin­nert etwas an Paul Aus­ter; aber ein­fa­cher, selbst­ver­ständ­li­cher. Spiel mit Sprach- und Dia­lekt­ebe­nen: der eine ein Ita­lie­ner, der Deutsch von einem Knast­bru­der gelernt hat und ent­spre­chend def­tig sich ausdrückt.

Elek­trik: Ver­su­che, die Loop-Anten­ne an der Hifi-Anla­ge aus­zu­rich­ten, um Emp­fang zu bekom­men. Nach eini­gem Her­um­pro­bie­ren gelingt es, das Her­um­wi­ckeln der dün­nen Lei­tung um den Kunst­stoff­ring ver­bes­sert die Lage.

20.1., Mon­tag

Traum: Es ist Krieg; Ver­su­che ein Gebäu­de gegen einen Angriff vor­zu­be­rei­ten, die bes­ten Posi­tio­nen für Geschüt­ze zu fin­den. Gebe Anwei­sun­gen: Hier, vor die­ses Fens­ter-Erker, das nach drei Sei­ten öff­net, ein Maschi­nen­ge­wehr. Von hier aus hat man einen guten Blick in die Stra­ße. Wei­ter hin­ten ein glä­sern-metal­lisch schim­mern­des Hoch­haus. Dort wäre eine Stel­lung eben­falls gut – aber ein Pan­zer, so wen­det einer in Uni­form ein, hät­te leich­tes Spiel mit dem frei­ste­hen­den Gebäu­de.
Wir durch­su­chen das Haus nach Brauch­ba­rem, tra­gen Metall­tei­le zusammen.

R. schreibt mir auf mei­nen Vor­schlag zurück: Er fin­det die Bil­der am Trep­pen­auf­gang doch am bes­ten, kann mit den bekleb­ten Trep­pen­stu­fen nicht so viel anfan­gen. Hat­te mir das schon gedacht. Jetzt ist es wenigs­tens klar.

Wie­der­um Gedan­ken an das Archiv. Das Heft könn­te als Gang in und durch das Archiv auf­ge­baut sein: Kel­ler­gän­ge, Ein­gang, „Estab­li­shing shot“ in den Haupt­gang, dann die Rega­le, Her­an­zoo­men auf Details. Als letz­tes Bild „Not­aus­gang“.
Noch eine Idee taucht auf: die Bil­der könn­te ich mit Tex­ten aus dem Tage­buch über­la­gern, die sich mit dem Archiv beschäf­ti­gen…. Sozu­sa­gen die Ver­schrän­kung von zwei Archi­ven: mei­nem eige­nen und das dem des Künstlerverbundes.

Sehe mir im Guar­di­an Aus­schnit­te aus der Inau­gu­ra­tio­nal Speech von Trump an. Ein Groß­spre­cher! The Gol­den Age of Ame­ri­ca beg­ins right now! From this day for­ward, our coun­try will flou­rish and will be respec­ted again. We will be the envy of every nati­on …“
Und im Anschluss Dut­zen­de von Dekre­ten, Aus­tritt aus dem Kli­ma­ab­kom­men, aus der WHO, Stopp von Zah­lun­gen für Län­der wie die Ukrai­ne … Das lässt alles nichts Gutes hof­fen, das aus­zu­sit­zen zu kön­nen, sich irgend­wie damit arran­gie­ren zu kön­nen, die­se Hof­fung war trügerisch.

22.1. Mitt­woch

Lese spät­abends „Wackel­kon­takt“ von Haas fer­tig. Wirk­lich ein page­tur­ner. Mit wel­cher Leich­tig­keit er die kom­pli­zier­te Spie­gel-Kon­struk­ti­on des Romans hand­habt – fan­tas­tisch. Da ist der Rezen­si­on in der ZEIT nur zuzustimmen. 

23.1. Don­ners­tag

End­lich Brief von der Unte­ren Denk­mal­be­hör­de im Brief­kas­ten: Die Geneh­mi­gung für die Arbei­ten am Sal­va­tor­platz ist da. Aller­dings in Form einer lan­gen Auf­lis­tung von archäo­lo­gi­schen Auf­la­gen. Immer­hin ist, wie schon im Mai ange­spro­chen, eine Umpla­nung mit fla­che­rem Fun­da­ment als Lösung aufgeführt.

Wer­de ganz ner­vös, da es jetzt wei­ter­geht, wei­ter­ge­hen muss. Doch die tech­ni­schen und orga­ni­sa­to­ri­schen Pro­ble­me wer­den nicht gering sein; eine Abwick­lung durch die Stadt wäre mir am liebs­ten – ob die sich dar­auf ein­las­sen wer­den? Schrei­be ans Kul­tur­re­fe­rat. Die Ant­wort sehr nett und opti­mis­tisch wie immer; und Zusa­ge der Kos­ten­über­nah­me für die Umpla­nung. doch deren Orga­ni­sa­ti­on und die wei­te­re Aus­füh­rung wird wei­ter bei mir lie­gen, wegen des Gene­ral­un­ter­neh­mer­ver­trags. Habe ich mir schon gedacht.

Eröff­nung in der Arto­thek Mün­chen. Alix Stadt­bäu­mer und Chris­ti­an Engel­mann: Uhl­fel­der. Skulp­tu­ral gebau­te Trep­pe, in eine Raum­ecke gelehnt, die sich auf die Roll­trep­pe im Kauf­haus Uhl­fel­der bezieht, das im sel­ben Gebäu­de bis in die 1930er Jah­re existierte.

Vie­le Leu­te, eigent­lich eine Art Jahresempfang.

24.1. Frei­tag

Wei­te­re Mails im Zusam­men­hang mit dem Denk­mal; dann an den Tex­ten für das beglei­ten­de Buch; Das Inter­view mit Jörg Schel­ler ist von Cour­ten­ay Smith eng­lisch lek­to­riert, das Inter­view zwi­schen Flo­ri­an Matz­ner und mir steht als nächs­tes an. 

Post­kar­ten-Idee zur Fra­ge der Gale­rie Dr. Juli­us: What keeps you going? Danie­la Coma­ni hat­te mich dar­auf hin­ge­wie­sen. Ant­wort mit einem Bild?: Füße oder Wanderstecken?

Abends Trai­ning. Neh­me „Zazi dans le mét­ro“ mit, habe rich­tig Lust dar­auf, fran­zö­sisch zu lesen; und dann in der U‑Bahn… auch wenn es nur weni­ge Sta­tio­nen sind.
Gutes Joga, mit kla­rer Anleitung.

25.1. Sams­tag

Traum: In einer leicht ber­gi­gen Gegend. Sehe von oben zwei lan­ge Sat­tel­zü­ge den Berg her­auf­kom­men. Ich (mit E.) soll sie über­neh­men und fah­ren. Setz­te mich ans Steu­er, hoch oben, suche nach dem Sicher­heits­gurt; das Fahr­zeug rollt schon, berg­ab. Suche nach dem Brems­pe­dal, fin­de es nicht. Die Fahrt wird immer schnel­ler. Ich soll auch wen­den. Fin­de einen Gurt, an dem ich mit bei­den Hän­den zie­he – die Brem­se. Nach rechts in eine lan­ge Ein­fahrt, immer noch mit hoher Geschwin­dig­keit. Kom­me dann aber zum Ste­hen, das Wen­de­ma­nö­ver gelingt.

Durch ein Trep­pen­haus zu einer Rezep­ti­on. Ich wer­de gefragt, ob ich Fil­me per LKW oder per Rad aus­lie­fern wol­le. Es sind VHS-Kas­set­ten, die Cover bunt, aus den 60er-70er Jah­ren, manch­mal erotisch.

In die Anti­ken­samm­lung, wo am Diens­tag die Eröff­nung der Aus­stel­lung COM­BO statt­fin­den wird, für die ich in einer Jury Künst­ler vor­schla­gen konnte. 

Ins Len­bach­haus, Mün­chen. Instal­la­ti­on von Rose­ma­rie Trockel und Thea Djord­jad­ze. Dun­kel, Fädensträn­ge sind durch den Raum gezo­gen, Leucht­buch­sta­ben. Dort hockt eine Frau auf einem Schau­kel­stuhl und starrt ins Lee­re. Ein Sockel-Becken mit einer Flüs­sig­keit, dar­auf schnur­be­spann­te Bil­der und Male­rei, die an Kunst der 60er/70er Jah­re erin­nert. Atmo­sphä­risch gelun­gen, ohne dass man das alles logisch zusam­men­be­kä­me — muss man ja auch nicht. For­mal schon stim­mig. Dass es Refe­ren­zen auf Rim­baud geben soll und sein Kon­zept von Schön­heit — das erscheint mir aber etwas auf­ge­setzt und im Nach­hin­ein konstruiert. 

Sur­rea­lis­mus-Aus­stel­lung im Kunst­bau. Gefällt mir ins­ge­samt sehr gut, wenn ich auch nicht alles auf­neh­men kann. Sehr mate­ri­al­reich; Zei­tungs­aus­schnit­te, Mani­fes­te von Bre­ton etc. auf Fran­zö­sisch. Vie­les wuss­te ich so noch nicht; wer etwa noch alles an Bord des Schif­fes war, mit dem Clau­de Levi-Strauss nach Süd­ame­ri­ka fuhr. Erin­ne­re mich an sei­ne Beschrei­bung eines Son­nen­un­ter­gangs, von Wol­ken, sehr genau und dabei poe­tisch. Als Fahrt ins Exil habe ich das dabei nicht pri­mär gele­sen, eher als Forschungsreise. 

End­lich Bei­trag für Dr. Juli­us, eine Post­kar­te zum The­ma „What keeps you going?“. Ver­wen­de die Nach­rich­ten über Glo­bal Ran­king-Ver­bes­se­run­gen, Spiel mit der Eitel­keit als Moti­va­ti­on fürs Wei­ter­ma­chen. Suche län­ger nach den Aus­dru­cken, in Ord­nern, Schach­teln. Es ist schon sehr viel Mate­ri­al hier verteilt.

26.1. Sonn­tag

Traum, mit viel Gewalt: In einer gro­ßen Hal­le fin­den Wett­kämp­fe zwi­schen Künst­lern statt. Das Regle­ment sieht ein Duell mit Dart­pfei­len vor, die abwech­selnd auf­ein­an­der gewor­fen wer­den. Vie­le sit­zen apa­thisch auf dem Boden, star­ren in ihre Smart­phones oder Lap­tops. Die Teil­nah­me ist aller­dings ver­pflich­tend. In mir steigt Wut auf – muss ich da wirk­lich mit­ma­chen? Wie leicht kann ich in der Brust getrof­fen werden.

Beim Auf­räu­men fal­len mir Bücher in die Hän­de, ande­re suche ich.

Suche nach Büchern, „The Tra­cker“ von Tom Brown, das irgend­wo im Regal sein muss. Fin­de statt des­sen eini­ges ande­re, etwa „Der Wel­len­rei­ter“ von Dirk Knipp­hals, in das ich hin­ten Sät­ze der Haupt­per­son „Albert“ notiert hatte.

Wei­ter in „Zazie dans le mét­ro“. Zazie büxt aus, lässt sich von einem Her­ren auf dem Floh­markt eine Jeans kau­fen, reißt damit aus…. Macht Spaß, und ich kann eini­ger­ma­ßen fol­gen, wenn ich nicht jedes Wort ver­ste­hen will. Suche im Inter­net nach einer Auf­lö­sung des ers­ten, pho­ne­tisch geschrie­be­nen Wor­tes – „Dou­ki­pudon­kt­an…“ und fin­de sie: D’ou qui pudent tant.
Die­sen Ein­tra­ge schrei­be ich spät, und er wird recht lang — immer­hin eine Woche.