Wil­fried Stroh R.I.P.

Kürz­lich bekam ich Nach­richt, dass Wil­fried Stroh, Pro­fes­sor für Klas­si­sche Phi­lo­lo­gie, am 15.7. 25 ver­stor­ben ist. Das mach­te mich betroffen:

Ich kann mich an Wil­fried Stroh — ali­as lati­ni­siert Valah­fri­dus — gut erin­nern, besuch­te vor inzwi­schen 30 Jah­ren sei­ne Vor­le­sun­gen und Kol­lo­qui­en zur latei­ni­schen Spra­che und Lite­ra­tur an der LMU Mün­chen. Ich bekam sei­ne Höhen und Tie­fen mit, war zeit­wei­se Hilfs­kraft bei ihm, schnitt biblio­gra­phi­sche Daten aus, kleb­te sie auf Kar­tei­kar­ten, las Auf­sät­ze Kor­rek­tur, aber nahm auch Teil an den Demos gegen den Münch­ner Flug­ha­fen (“pere­at aeris por­tus”- “ver­flucht sei der Flug­ha­fen” … ), sang im Insti­tuts­chor, u.a. Horaz-Ver­to­nun­gen von Jan Novák … Ich ver­wen­de­te erheb­lich Zeit und Mühe dar­auf, Latei­nisch schrei­ben und spre­chen zu ler­nen, hat­te Spaß an der For­mu­lie­rung von Brie­fen in die­ser Spra­che, wie­viel Feh­ler sie auch ent­hal­ten moch­ten (und es waren immer viele! ).

Stroh war Phi­lo­lo­ge — Lieb­ha­ber des Wor­tes und der Spra­che, der Rhe­to­rik, der Kri­tik und Genau­ig­keit — gleich­zei­tig aber auch der Per­for­mance­künst­ler unter den Pro­fes­so­ren. Dass er das Ein­tre­ten für eine tote Spra­che mit Auf­füh­run­gen und Aktio­nen, mit Gegen­warts­be­zug und poli­ti­schem Enga­ge­ment ver­band, mach­te ihn zu einer schil­lern­den Figur, die von man­chen inner­halb der ins­ge­samt eher kon­ser­va­tiv-soi­gnier­ten Klas­si­schen Phi­lo­lo­gie kri­tisch beäugt wur­de. Für mich und vie­le ande­re war gera­de die­se Ver­su­che der Ver­le­ben­di­gung, die­ses Exzen­trisch-Per­for­ma­ti­ve interessant.

Es war eine tol­le, inten­si­ve Zeit. Auch wenn ich mich stu­di­en­mä­ßig beruf­lich in eine ande­re Rich­tung ent­wi­ckelt habe, füh­le ich mich dem Latein und Wil­fried Stroh immer noch verbunden.

Ich neh­me sein Buch „Latein ist tot, es lebe Latein – klei­ne Geschich­te einer gro­ßen Spra­che“ vom Regal, wo es ganz oben steht, bei den Büchern, die ich mit jetzt etwas wei­ter ent­fern­ten Inter­es­sen­ge­bie­ten ver­knüp­fe. Das Vor­wort auf Latein – es liest sich immer noch gut und geist­reich, auch die deut­sche Über­set­zung. Sei­ne über­ra­schen­de The­se: Der Tod des (klas­si­schen) Lateins ist kein Nach­teil, son­dern ein Vor­teil: so konn­te es in Schön­heit ster­ben, sich auf sei­nem Höhe­punkt kon­ser­vie­ren – und durch ästhe­ti­schen Reiz bis in die Gegen­wart attrak­tiv blei­ben. Die Moti­va­ti­on, die­se Spra­che zu ler­nen, muss, bei allem ihr zuge­schrie­be­nem Bil­dungs­wert, vor allem aus ästhe­ti­scher Fas­zi­na­ti­on und Eigen­wert kom­men, nicht aus ihrer Nütz­lich­keit oder der Eig­nung für das Trai­ning logisch-for­ma­ler Pro­zes­se. Die­se Fas­zi­na­ti­on konn­te er selbst auch ver­mit­teln. Dafür bin ich ihm dankbar.


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