Albert Coers: ab hier
14,8 x 10,5 cm, 56 S., 55 Abbildungen, Ringösenheftung
Auflage: 250 Ex.
2025
icon Verlag Hubert Kretschmer
ISBN 978–3‑68919–051‑4
Die Unterlagen befinden sich im Zustand der Ablage, Poesie und Verwaltung aus dem Archiv des Künstlerverbund im Haus der Kunst e.V., Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München
“… and going on.” the drj 100th — a mail art project, dr. julius art projects, Berlin
między nami fotografia – zwischen uns Fotografie, ep.contemporary, Berlin
5.2.25 — Journal — Geburtstag
Heute mein Geburtstag, ein spezielles Datum der 5.2.25. Schreibt man es „englisch“, 25/2/5, ergeben sich 2x25=50 – mein Alter. Schönes Zahlenspiel, das ich auf eine Klappkarte schreibe, Miha Lexier hätte seine Freude.
Jetzt ist die Marke „50“ erreicht bzw. überschritten. Zum Glück gibt es Leute, die heute kommen und mir über diese Hürde hinweghelfen, die ja letztlich eine gedankliche, auf Konventionen beruhende ist.
Seit Montag Vorbereitungen, Einkaufen, Putzen, Planung von Essen und Gestaltung für ein kleines Fest – das diesmal dem Anlass entsprechend größer ausfällt. Das Motto „Zeit“ ist ausgegeben.
Diese Inszenierungen für Geburtstage macht mir immer Spaß; hier kann man sich austoben, ohne dass es große Kunst sein muss, was herauskommt, eine Art Ausstellung, aber nicht im Kontext einer Galerie, sondern im privaten Bereich der Wohnung.
Idee, aus Kalendern ein Mobile zu machen, die vielen selbstgebastelten Fotokalender einzusetzen, sie beweglich an Stangen aufzuhängen, an Ikea-Kreuzen. Parkscheiben, die ich gesammelt habe; eine davon an die Wohnngtür – eine einfache Intervention. Exemplare der „ZEIT“ draußen zwischen die Stäbe des Treppengeländers geklemmt; weitere skulptural in einem Papierkorb.
Das Beste sind Girlanden aus den Verpackungen von Teebeuteln. Die habe ich lange gesammelt, aber noch nie genau gewußt, was damit machen; habe sie gerollt, zu Stapeln zusammengeschnürt, in Bücher eingelegt, in Schachteln eingeschichtet.
Doch jetzt endlich die Idee von E. mit den Girlanden: die Papierstücke auffädeln. So lassen sich Ketten produzieren, an denen Zeit ablesbar ist, im Verbrauch, der Abfolge der Tees selbst, aber auch auf den Verpackungen, auf denen meist eine Ziehzeit angegeben ist.
Spanne sie in Bögen von der Lampe im Flur zu den Bücherregalen, das ergibt eine Art Festkrone.
Alexander Steig ist der erste, der abends kommt, er erfasst gleich die Situation und hilft noch beim Hängen; von ihm ist ein Multiple von Timm Ulrichs „AM ANFANG WAR DAS WORT AM“ und eine Fotoarbeit von ihm selbst. Roland, der Freund der Schwester von E., hat ein Zahnradmodell aus Lego gebaut, wo die Bewegung sich in immer langsamere Drehungen der Räder überträgt. Gefällt mir gut.
Susanne Thiemann kommt, trotz Augenoperation, die sie kürzlich hinter sich gebracht hat. Sie bringt einen schönen Korb mit, aus Südafrika, der zugleich wie ein Hut aussieht. Von Notburga Karl eine Plastik, drei miteinander verwobene, verknotete Brezen, aus Keramik. Hubert Kretschmer bringt, passend zum Zeit-Thema, wie eine Medizin verpackt, ein „Beschleunigungsmittel“ mit, das ich auch auch meine Person und die Tendenz zur Langsamkeit beziehe …
Und von E. ein Buch von Christoph Ransmayr, den ich ja gerne lese, „Egal wohin Baby“- Kurzromane/Geschichten von nur je ca. 2 Seiten, die sich um ein Foto drehen. Und guten grünen Tee aus Japan.
Und und und… Bin zufrieden. Ein guter Eintritt in ein neues Jahrzehnt.
info on books, Café Babette
27.–28.1 — Journal ‑COMBO, Secession, Antikensammlung
27.1., Montag
Träume: In einem Lesesaal; an den Wänden Tische. An den Tischkanten angeklebtZettel, niedrig, so dass man sich hnkauern muss, um sie zu lesen. Darauf Wochenpläne, auf denen die Anwesenheit der Benutzer eingetragen ist. Nur dann ist eine Benutzung erlaubt, darf man Bücher länger als einige Stunden hier ablegen. Als ich vorbeigehe, spricht mich ein junge Italienerin darauf an, fragt, wie das funktioniere. Bin stolz, ihr das erklären zu können.
In einem französischem Zug/Métro. Männer mit harten Gesichtern steigen ein, fordern auf, die Billets vorzuzeigen. Habe keins, peinlich. Mit anderen Passagieren gibt es ein Handgemenge, das nutze ich, um beim nächsten Halt hinauszuspringen. Direkt neben der Tür ist ein Treppenhaus mit Fahrstuhl. Hinein und nach unten. Steige aus und fliehe, klettere über die Treppengeländer, die sich um den Fahrstuhl schlingen, weiter hinunter.
In ein WC, das groß und mit dunklem Holz getäfelt ist. Es gibt Podeste an den Wänden, als Sitz- und Ablagemöglichkeiten. Aus meinem Rucksack ist ein weißes T‑Shirt auf den Boden gefallen. Lasse mich auf einer Bank nieder und ordne mein Gepäck. Sehr schön, fast wohnlich hier. Sage das zu einer Begleiterin. Beim Verlassen sehen wir neben der Tür ein Namensschild: Ein französischer Beamter hat seine Wohnung für die Dauer von Bauarbeiten zur Verfügung gestellt.
CD von Igor Levitt mit Bach-Choralen, transkribiert für Klavier von Frederico Busoni. Recherchiere nach der Melodie des ersten, Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist. Jetzt erst verstehe ich, wo diese Melodie im Stück auftaucht – in den langen Noten der Ober bzw. Unterstimme. Und nichts ist dem Zufall überlassen: Die Triolen beziehen sich auf die Dreifaltigkeit …https://www.youtube.com/watch?v=oHFPJkxn-g4
28.1., Dienstag
Eröffnung in der Antikensammlung. Volles Haus, viele aus der Secession oder ihrem Umfeld. Treffe aber auch Daniela Comani, die ich für den Künstlerbund vorgeschlagen hatte, und die aus Berlin gekommen ist;Albert Weis, der die Ausstellung mit ausgedacht und angeleiert, sich um Förderung gekümmert hat, anfangs auch mit ausstellen sollte, dann aber wegen seiner gleichzeitigen Mitgliedschaft im Vorstand des Künstlerbunds und in einer Jury für Fördermittel seine Teilnahme zurückgezogen hatte, aus „politischen“ Gründen. Bei einer solchen Ausstellung mit zwei doch sehr unterschiedlichen Vereinen geht es eben auch um Politik. Die Grundidee sehr gut: Künstlerverbände näher zusammenzubringen, sichtbarer zu machen, unter Verweis auf eine gemeinsame Ausstellung, vor 120 Jahren, am selben Ort wie heute.
Wenn ich auch nur in der vorschlagende/auswählenden Jury war, so werde ich doch auch mit für die Kuration verantwortlich gemacht und darauf angesprochen – was dann doch zuviel der Ehre ist. So soll ich z.B. Auskunft darüber geben, ob das marmorblank glänzend polierte Ei von Karin Sander wirklich roh ist, wie im Schild angegeben … Sie selbst ist leider nicht da. Treffe Stefan Wischnewski, der sich ganz begeistert zeigt über die Ausstellung. Freut mich.
Timm Ulrichs ist auch da, inzwischen fast 85. Von ihm die Motive der Banner am Gebäude – zwei Figuren, Abformungen seines eigenen nackten Körpers, jeweils die untere oder obere Körperhälfte „eingehaust“, durch einen Kubus abgedeckt. Gute Arbeit, die auch zum Thema Figuration – Antike passt.
Er selbst sieht etwas lädiert aus, blaue Flecken im Gesicht; von einem Sturz am Bahngleis, wie ich erfahre. Doch geistig rege wie eh und je. Interessiert und gründlich sieht er sich die Ausstellung an – und besteht auf der Aushändigung des Katalogs – den er sich auch gleich in den Rollkoffer packt.
Schöne Objekte von Karen Pontoppidan, aus Silberblech; ein Bügeleisen, Nudelholz, Fleischklopfer – in einer Vitrine mit Statuetten der Sezessionszeit, Nixen etc., schön in der Anspielung auf Weiblichkeit und Stereotypen. Gut gehängt und disponiert und miteinander in Beziehung gesetzt alles, das kann Johannes Muggenthaler einfach.
Von der Antikensammlung wird gegen viertel nach neun langsam das Ende der Veranstaltung eingeläutet, in wahrstem Sinne des Wortes, mit einem Gong, mit dem Mitarbeiter durch die Räume gehen. Und dann wird auch schon mit dem Wischen angefangen; die langsame, schwingende Bewegung des Wischmops am Boden, um die Kunstwerke herum.
Aus dem Gebäude hinaus auf den Königsplatz, die Briennerstr. Hinunter. In die Pfälzer Weinstube, endlich etwas essen – die Brot- und Käsehäppchen waren schnell aus. Nette Gruppe, mit Daniela, Antonio Guidi, Karen Irmer, Patricia Wich. Am Tisch auch Tanja Fender, mit der ich mich, wie sie sich erinnert, einmal auf Russisch unterhalten hatte – so kommt das Gespräch auf Russland, den Kriege gegen die Ukraine etc. Sie merkt an, dass selbst die Propaganda in Russland nicht mehr das sei, was sie einmal war, die Sprache verroht.
Daniela Comani berichtet von ihren Berlin-Erfahrungen – gerade als sie nach dem Studium in Bologna dort war, geschah der Mauerfall – und dann war es so interessant, dass es keinen Grund mehr gab wegzugehen. Schon beneidenswert, das aus nächster Nähe mitzubekommen. Sie ist 10 Jahre älter als ich, hat auch nächste Woche Geburtstag, am 3.2. …
13.–16.1. — Journal, Paris
13.1.25, Montag, Paris
Berlin-Mannheim. Seltsamer Traum, der so gar nichts mit der Situation im Zug zu tun hat: kauere mit anderen in einer Höhle, wir singen ein Lied mit schöner, vertrauter Melodie zur Gitarre „Und am Abend ziehen Gaukler durch den Wald …. Weht der Wind mild und leis ….“
Die Nacht ziemlich hart: Unruhe (Leute telefonieren, unterhalten sich) trotz der späten Stunde, dann die dauernden Halte und Durchsagen (Stendal, Hannover, Göttingen (3 Uhr!), Frankfurt, Mannheim), der Kampf mit den Sitzen und dem Kribbeln in den Beinen, das erst besser wird, als ich mich auf einem Vierersitz ausbreite, die Füße hochlegen kann; die Anspannung und der häufige Blick aufs Smartphone, ob der Anschluss in Mannheim gegen 7 Uhr erreicht wird… Wird er, doch stehe ich auf dem zugigen Bahnsteig. Jetzt geht es flotter, auf der TGV-Trasse kann der ICE seine Geschwindigkeit ausfahren.
Gegen 10 Uhr Ankunft. War lange nicht mehr hier, zuletzt vor gut 10 Jahren, 2013? Und schon wieder begeistert, als sich die glasgedeckten Streben über mir wölben: das ist ein Bahnhof! – nicht die ewigen Baustellen und Nachkriegskonstruktionen in Deutschland. Dagegen die Strenge des Systems öffentlicher Verkehrsmittel. Gar nicht so einfach, sich eine Fahrkarte für die Metro zu besorgen. Durch Gänge und Tunnels, wesentlich ausgedehnter als in Berlin.
Unterkunft Nähe Sully/Morland, im People Marais. Dort im 7. Stock, mit guter Aussicht auf die Umgebung und weit in die Stadt. Das Zimmer minimalistisch, mit Anklängen an die 60er Jahre, Le Corbusier etc, Decke Sichtbeton, Boden dunkler Estrich.
Treffe in einem Café am Place d’Étoile Christine Demias, die ich von “Calendar 2025” im einBuch.haus her kenne, wo sie den März gestaltet hat, und auf den Call mit einem weiteren geantwortet hat, zu einer Ausstellung, und die Einladung dazu als Beitrag abgedruckt. und die ein Über Buchprojekte, und über das ABC (Artist’s Books Cooperative), eine Gruppe von Leuten, die gemeinsam auf Messen etc. auftreten. Da könnte ich mich bewerben/beitreten. Über Galerien und Buchläden, sie empfiehlt Ivon Lambert.
E. kommt an. Gang am Seine-Ufer. Sehe bei den Buchständen einen Blake & Mortimer-Comic, den ich noch nicht habe, „Les 3 formules du Prof. Sato“, der letzte, den Jacobs noch selbst gezeichnet hat. Kaufe ihn. Fühlt sich gut an, ein Buch gleich nach der Ankunft erworben zu haben.
Nôtre Dame, vor kurzem wiedereröffnet. Auf dem Bauzaun Darstellung der verschiedenen Gewerke, die Reparatur des Dachstuhls, die Steinmetzarbeiten. Als wir hineingehen und ich das neue Gewölbe sehe, bin ich so bewegt, dass es mich selbst überrascht, habe Tränen in den Augen. Denke an die Feuerwehrleute, die beim Brand 2019 ums Leben gekommen sind, die Bilder von der Verwüstung, vom eingestürzten Gewölbe der Vierung. Und jetzt diese Leistung, etwas wieder heil zu machen – unabhängig vom Glauben. Dass eine Gesellschaft so etwas noch zu Stande bringt, in nur fünf Jahren.
Ins Centre Pompidou. Heute letzter Tag der Surrealisten-Ausstellung, zu voll. Aber die ständige Sammlung ist auch beeindruckend, und es gibt vieles, das ich nicht kenne bzw. mich nicht erinnern kann, dass ich es schon einmal gesehen hätte: Eine große Installation von Beuys, ein Raum mit Filzrollen an den Wänden, isoliert, Geräusche gedämpft, in der Mitte ein Flügel. Schiffe von Anselm Kiefer, als Objekte beeindruckend, die Kombination mit Schrift/Zitaten bzw. Daten der Weltgeschichte (Seeschlachten) lädt sie zu stark mit Bedeutung auf.
Aber auch bei der Malerei einiges zu entdecken: Bilder von Derain, 2 Boote, diagonal ins Bild gesetzt und angeschnitten; interessant-rätselhafte Titel, fast literarisch: “L’homme indifferent” von Georges Ribemont, erinnert an Musils “Mann ohne Eigenschaften”. Picabia — wusste nicht mehr, dass der auch sehr gut malen konnte. Georges Renault mit seinen dunklen, schwarz umrissenen Figuren. Duchamp nicht nur mit einer schwebenden Schneeschaufel, die so aufgehängt eine besondere Präsenz bekommt, an ein Flugzeug oder auch ein Fallbei erinnert, sondern auch mit einer schönen, filigranen aufwendigen Metall-Glas-Arbeit, er hat eben nicht nur Readymades gemacht. Klee, Malerische Plakat-Abreißarbeiten von Raymond Hains …
Gegen 9 schließt das Haus; zu den Schließfächern, die als Design-Glaskuben gestaltet sind und je nach Belegung rot oder grün leuchten; sind etwas wartungsintensiv, viele sind außer Betrieb, leuchten gar nicht; Überhaupt scheint es nicht einfach, so ein großes Haus, so eine große Maschine am Laufen zu halten.
Richtung Seine, Rue de Temple. Neugierig, was sich hinter “temple” verbirgt: eine evang. Kirche; Im Café Sully Imbiss.
14.1., Dienstag
Zum Louvre/Palais Royale, wo E. in der Nähe, am INHA in der Rue Colbert, das Seminar hat. Gang durch Innenhöfe. Installation von Daniel Buren mit Säulen in verschiedenen Höhen und mit Gängen auf zwei Ebene, erschließt sich mir nicht gleich. In der Biblioteque Nationale. Der legendäre ovale Lesesaal mit dem Glasdach — als für alle offener Saal eingerichtet, mit einem “Best of” in den Regalen, zu Kunst, Theater, Film — und einem einfassenden Kreis von Bandes Dessinées. Als Bücher/Medien, mit denen sich in Frankreich fast alle identifizieren können.
Der Saal Labrouste dagegen als spezialisierter Lesesaal für Kunsthistoriker. Hier hat u.a. Benjamin gearbeitet. Immerhin kann man als Besucher eintreten und sich die mit Pflanzen und Blättern ausgemalten Gewölbe ansehen.
Am späten Nachmittag, nach dem Seminar von E., ins Musée d’Orsay. Gute Interventionen von Elmgreen/Dragset, die realistische Figuren in die Skulpturen- und Bildersammlung des 19. Jahrhunderts eingeschleust haben. Ein Junge kniet auf dem Boden vor den “Die Römer der Dècadence” und zeichnet. Hoch oben steht einer anderer auf einem Sprungturm, ein weiterer auf der Galerie, mit einem Fotoapparat.
Van Goghs Kirche in Oise: diese Entschiedenheit, mit der die Umrisse gezogen sind; hat auch etwas mit Tapferkeit zu tun, sich nicht Unterkriegen lassen. Und dann leuchten die Fenster in Blau…
15.1. Mittwoch
Im Musée des Arts et Métiers. Von außen mit der gotischen Kirche als Bestandteil bereits vielversprechend. Zunächst Ausstellung über Carbonic Footprint bzw. Emprunte du Carbon. Gut gemacht, besser als in Rom, wo wir ja im Museo della Storia Naturale waren, etwa vergleichbar. Doch die historischen Säle schon beeindruckender, mit den Sextanten, Messinstrumenten, mit der Lavoisir-Maschine zur Zusammenführung von Wasserstoff und Sauerstoff, den Waagen …
Das Beste am Schluss : Das Foucaultsche Pendel in der Église St Martin.
Zu Laurence Dumaine Calle, gleich neben St Sulpice. “Sacred Distancing” liegt auf ihrem Tisch, der grüne Punkt auf ihrer Kaffeetasse passt gut zum Sticker auf dem Cover. Zeige ihr auch “Wer ist / Chi è … Albert”.
Dann zeigt sie mir ihre Sammlung bzw. die ihres Mannes, die sie weiterführt.
Da sind Inkunablen, von Hans Peter Feldmann, Boltanski, z.T. von Bob Calle herausgegeben, Gilbert u. George, Sol Lewitt, Pennone etc. Aber auch neueres, ein Buch von Susan Hiller mit Fotos von Straßenschildern, die auf die Präsenz von Juden in Deutschland verweisen, The J.Street Project. Das passt auch zum Denkmal-Projekt.
Zu Fuß nach St Germain, auf Empfehlung von Laurence dort in eine Buchhandlung, die auf Künstlerbücher spezialisiert ist, in der Rue de l’abbaye, Delpire & co. Zeige dort “Sacred Distancing” und “Länderkennzeichen” dem Inhaber, Théophile Calot; wir vereinbaren, dass ich Exemplare vorbeibringe/schicke.
16.1. Donnerstag
Rückfahrt nach Deutschland. Geht deutlich besser als die Hinfahrt, da tagsüber.
Treffe in der Mittelhalle im Haus der Kunst Victor Sternweiler, zusammen mit Beniamino Foschini, der an der Theaterakademie Ästhetik unterrichtet. Mit ihnen in die Ausstellung von Pussy Riot, im Keller-Untergeschoss. Sehr laut, bunt, intensiv. Gut! Hut ab vor dem Kampf gegen die Staatsmacht und Polizeigewalt.
10.–13.1.25 — Journal
10.1., Montag
Unruhiger Schlaf, trotz der Müdigkeit: Die Tropfen von Regen und schmelzendem Schnee fallen laut auf die blechernen Abdeckungen der Fensterbretter, und das nicht regelmäßig-beruhigend, sondern enervierend.
Viele wilde Träume – die nach dem Aufwachen aber zerrinnen. In einen großen leeren Raum fährt auf einem Rollstuhl ein blinder Mann, der als Helfer, als Retter auftreten soll. Er breitet die Arme weit aus.
Vorbereitungen zur Parisreise, auch sprachlich. Versuche den Leuten auf Französisch zu schreiben, um mich zu üben, und auch
Le matin, après, je essaye du continuer où je ai laissé le travail le jour dernier. Comment l’usage du accent aigu ou grave pour moi n’est pas clair, je fais une recherche. J’ai étudié l’usage – mais ça sera plus un chose de s’entraîner que de en savoir.
Am Nachmittag bei der Präsentation der Künstlerbücher aus der Sammlung Marzona mit (wieder selbstverursachten) Hindernissen: Denke zuerst, es sei im Hamburger Bahnhof und radle da eilig hin doch da wissen sie nichts, dann schnell weiter zur Nationalgalerie, mit dem Rad durch den Tiergarten, voller Pfützen.
Aber lohnt sich dann: sehr intensive, konzentrierte Zeit, Michael Lailach und Kollegin von der Kunstbibliothek stellen Bücher von Hans Peter Feldmann, Boltanski u.a. vor. Dabei sind Ideen für Bilderserien, die ich auch schon hatte: etwa zerwühlte Betten morgens. Also: besser nachsehen, ob es die Idee nicht schon gibt – oder versuchen, sie anders zu machen. Das Interview-Buch mit Hans Ulrich Obrist, bei dem er auf eine Frage nonverbal antwortet, mit einem Bild – köstlich. Dass Boltanski so einen faible für Karl Valentin hatte, auch viel Komisches gemacht hat, etwa die Serie mit den fake-Selbstmorden — wußte ich nicht.
Viele bekannte Gesichter im Publikum: Erik Steinbrecher, Stefan Römer, Adib Fricke, Knut Ebeling mit Partnerin, Hanna Hennenkemper, die Professorin an der Kunstakademie Stuttgart ist; teils musste ich erst die Namen wieder hervorsuchen.
Dann, schon einmal in der Nationalgalerie, noch in der Nan Goldin-Ausstellung. Es sind eigentlich Filme, die gezeigt werden, bzw. Dia-Shows, mit Musik oder gesprochenem Kommentar, z.T. Projektionen auf mehreren Bildschirmen, in aufwendig gebauten Kinosälen/Pavillons. Vor allem der über ihre Schwester Betty, die mit 20 Selbstmord begangen hat, ist schon sehr berührend. Da haben manche Zuschauer Tränen in den Augen (ich eingeschlossen).
Auf dem Rückweg in den Wedding noch in der Perlebergerstr. vorbei, Aussstellung beim Art-Lab, mit dabei: Pfelder und Simone Zaugg mit einem Video.
Kalt, auf dem Rad.
11.1. Samstag
Schicke die Vorschläge für den Beitrag im Salon-Magazin endlich an Gerhard Theewen.
(Aufschriften aus dem Keller in DLG, Objekte mit Schild “Bitte nicht berühren”).
Nachmittags Kette von zumeist kurzen Stopps: zunächst zu einem Copyshop in der Perleberger, dann zu ep.contemporary, die dortige Gruppenausstellung ansehen, “you are invited . du bist eingeladen”. Treffe dort den Neuzugang in der Gruppe, FD Schlemme, der den Raum links bespielt mit Plastiken. Gutes Zusammenspiel, mein Eindruck. Er ist in Berlin geboren, wie sich im Gespräch herausstellt, eine der wenigen Personen, die kenne und auf die das zutrifft.
Kurz zum nahen HAUNT/frontviews, noch in einen Copyshop am Ernst-Reuter-Platz, einen Ausweis laminieren lassen.
Zum Miss-Read-Talk im Wedding. Laufe vom Leopoldplatz aus erstmal eine Runde, bis ich wieder in die Gerichtstr. finde. Viele Leute. Antonia Hirsch stellt ihre Monograhie vor, zugleich Künstlerbuch . Da gibt es manche gemeinsame Interessen, u.a. das für Indices: ein aufwendiger interpretierender/kommentierender ist bewusst in die Mitte des Buches gesetzt, neonrot gedruckt hebt er sich auch im Schnitt als zentral markiert ab. Ihn hat eine professionelle Indexspezialistin erstellt, auf Empfehlung von Dennis Duncan, wie ich später erfahre!
Interessant sprachliche Aspekte: das Gespräch ist auf Englisch (vielleicht deshalb auch so viele Teilnehmer?); Antonia führt es mit Gill Partington, Buchwissenschaftlerin, die ein sehr schönes britisches Englisch spricht. Bei Antonia, die perfekt ein amerikanisch/kanadisch gefärbtes Englisch spricht, merkt man erst bei einigen deutschen Ausdrücken (Nachlass, Staffelung), dass sie keine englische Muttersprachlerin ist.
Jayne Wilkinson, Publizistin und Lektorin, blättert im Buch, das per Smartphone gefilmt und dann projiziert wird – gute Art der Präsentation.
Kaufe ein Exemplar. Danach in eine Pizzeria in der Gerichtstr, “Sotto”. Michalis, Annette Gilbert, Gill , Jayne, Antonia mit Partner. Nette Runde. Das fehlt mir sonst häufig nach Veranstaltungen. Auch Annette G. ist eine gebürtige Berlinerin, Ost.
In Roland Barthes “Journal du deuil”. Es wird spät.
12.1. Sonntag
An den E‑mail-Einladungen zum Geburtstag; bis da der kleine Text zum Thema “Zeit” geschrieben, das Bild herausgesucht und eingefügt ist, das mit den drei Uhren, dauert es doch etwas.
Nationalgalerie, noch einmal in der Künstlerbuchausstellung. Ohne Führung und ohne Innenansicht der Bücher ist sie freilich weniger interessant; auch die Filme, in denen die Bücher durchgeblättert werden, vermitteln sie nur bedingt.
Zur Finissage der Ausstellung Anonyme Zeichner. im Kunstraum Kreuzberg. Treffe Bettina Huschek, zeige ihr meine Zeichnung. Ihre Arbeit ist verkauft worden, es war eine Schreibmaschinenzeichnung, mit Klammern, die nach unten hin sich auflösen, wegbröseln. Sie muss dann weiter, fliegt noch nach Malta. Hätte mir den Aufenthalt in der Neuen Nationalgalerie sparen oder früher dorthin sollen; Jetzt habe ich Leute verpasst, mit denen ich mich locker verabredet hatte, oder die Zeit mit ihnen ist knapp.
Kaufe schließlich noch eine Zeichnung, die von Isabelle Dyckerhoff. Diesmal geht die Abwicklung glatt vor sich, anders als beim letzten Mal, als mir “der Saft ausging”. 250 € für eine derart dichte Zeichnung, das ist eigentlich nicht viel.
Treffe noch einen Bekannten, Jakob Kirchheim, mit ihm durch die Ausstellung. Er hat hier einen Film in der Sektion “lines of fiction”. Eine Filmregisseurin befragt uns über Zeichentechniken.
Danach zurück nach Hause.
Um 23.35 Zug nach Mannheim, weiter nach Paris. Habe mir fest vorgenommen, rechtzeitig loszugehen; doch dann wird es wieder knapp: bis alles abgespült und aufgeräumt ist, alles gepackt und angezogen; in der U‑Bahn fahre ich, unkonzentriert und auf das Handy schauend, in die falsche Richtung, wieder aussteigen und retour, bis Gesundbrunnen; der Regionalzug von dort bis zum Hauptbahnhof fährt erst mit 15 Minuten Abstand, ließe mir nur 3 Minuten zum Umsteigen – sehr wenig. Nehme ein Taxi, die Fahrtdauer unter 10 Minuten.
Glücklich im Zug.