Die Unter­la­gen befin­den sich im Zustand der Abla­ge, Poe­sie und Ver­wal­tung aus dem Archiv des Künst­ler­ver­bund im Haus der Kunst e.V., Zen­tral­in­sti­tut für Kunst­ge­schich­te, München

20.3.2025 — 4.7.2025
Zen­tral­in­sti­tut für Kunstgeschichte

„Die Unter­la­gen befin­den sich im Zustand der Abla­ge, Poe­sie und Ver­wal­tung aus dem Archiv des Künst­ler­ver­bund im Haus der Kunst e.V., Zen­tral­in­sti­tut für Kunst­ge­schich­te, Mün­chen“ weiterlesen

5.2.25 — Jour­nal — Geburtstag

Heu­te mein Geburts­tag, ein spe­zi­el­les Datum der 5.2.25. Schreibt man es „eng­lisch“, 25/2/5, erge­ben sich 2x25=50 – mein Alter. Schö­nes Zah­len­spiel, das ich auf eine Klapp­kar­te schrei­be, Miha Lexier hät­te sei­ne Freude.

Jetzt ist die Mar­ke „50“ erreicht bzw. über­schrit­ten. Zum Glück gibt es Leu­te, die heu­te kom­men und mir über die­se Hür­de hin­weg­hel­fen, die ja letzt­lich eine gedank­li­che, auf Kon­ven­tio­nen beru­hen­de ist.
Seit Mon­tag Vor­be­rei­tun­gen, Ein­kau­fen, Put­zen, Pla­nung von Essen und Gestal­tung für ein klei­nes Fest – das dies­mal dem Anlass ent­spre­chend grö­ßer aus­fällt. Das Mot­to „Zeit“ ist aus­ge­ge­ben.
Die­se Insze­nie­run­gen für Geburts­ta­ge macht mir immer Spaß; hier kann man sich aus­to­ben, ohne dass es gro­ße Kunst sein muss, was her­aus­kommt, eine Art Aus­stel­lung, aber nicht im Kon­text einer Gale­rie, son­dern im pri­va­ten Bereich der Woh­nung.
Idee, aus Kalen­dern ein Mobi­le zu machen, die vie­len selbst­ge­bas­tel­ten Foto­ka­lender ein­zu­set­zen, sie beweg­lich an Stan­gen auf­zu­hän­gen, an Ikea-Kreu­zen. Park­schei­ben, die ich gesam­melt habe; eine davon an die Wohnng­tür – eine ein­fa­che Inter­ven­ti­on. Exem­pla­re der „ZEIT“ drau­ßen zwi­schen die Stä­be des Trep­pen­ge­län­ders geklemmt; wei­te­re skulp­tu­ral in einem Papierkorb.

Das Bes­te sind Gir­lan­den aus den Ver­pa­ckun­gen von Tee­beu­teln. Die habe ich lan­ge gesam­melt, aber noch nie genau gewußt, was damit machen; habe sie gerollt, zu Sta­peln zusam­men­ge­schnürt, in Bücher ein­ge­legt, in Schach­teln eingeschichtet.

Doch jetzt end­lich die Idee von E. mit den Gir­lan­den: die Papier­stü­cke auf­fä­deln. So las­sen sich Ket­ten pro­du­zie­ren, an denen Zeit ables­bar ist, im Ver­brauch, der Abfol­ge der Tees selbst, aber auch auf den Ver­pa­ckun­gen, auf denen meist eine Zieh­zeit ange­ge­ben ist.
Span­ne sie in Bögen von der Lam­pe im Flur zu den Bücher­re­ga­len, das ergibt eine Art Festkrone.

Alex­an­der Steig ist der ers­te, der abends kommt, er erfasst gleich die Situa­ti­on und hilft noch beim Hän­gen; von ihm ist ein Mul­ti­ple von Timm Ulrichs „AM ANFANG WAR DAS WORT AM“ und eine Foto­ar­beit von ihm selbst. Roland, der Freund der Schwes­ter von E., hat ein Zahn­rad­mo­dell aus Lego gebaut, wo die Bewe­gung sich in immer lang­sa­me­re Dre­hun­gen der Räder über­trägt. Gefällt mir gut.

Susan­ne Thie­mann kommt, trotz Augen­ope­ra­ti­on, die sie kürz­lich hin­ter sich gebracht hat. Sie bringt einen schö­nen Korb mit, aus Süd­afri­ka, der zugleich wie ein Hut aus­sieht. Von Not­bur­ga Karl eine Plas­tik, drei mit­ein­an­der ver­wo­be­ne, ver­kno­te­te Bre­zen, aus Kera­mik. Hubert Kret­schmer bringt, pas­send zum Zeit-The­ma, wie eine Medi­zin ver­packt, ein „Beschleu­ni­gungs­mit­tel“ mit, das ich auch auch mei­ne Per­son und die Ten­denz zur Lang­sam­keit beziehe …

Und von E. ein Buch von Chris­toph Rans­mayr, den ich ja ger­ne lese, „Egal wohin Baby“- Kurzromane/Geschichten von nur je ca. 2 Sei­ten, die sich um ein Foto dre­hen. Und guten grü­nen Tee aus Japan.

Und und und… Bin zufrie­den. Ein guter Ein­tritt in ein neu­es Jahrzehnt.

27.–28.1 — Jour­nal ‑COM­BO, Seces­si­on, Antikensammlung

27.1., Mon­tag

Träu­me: In einem Lese­saal; an den Wän­den Tische. An den Tisch­kan­ten ange­klebt­Zet­tel, nied­rig, so dass man sich hnkau­ern muss, um sie zu lesen. Dar­auf Wochen­plä­ne, auf denen die Anwe­sen­heit der Benut­zer ein­ge­tra­gen ist. Nur dann ist eine Benut­zung erlaubt, darf man Bücher län­ger als eini­ge Stun­den hier able­gen. Als ich vor­bei­ge­he, spricht mich ein jun­ge Ita­lie­ne­rin dar­auf an, fragt, wie das funk­tio­nie­re. Bin stolz, ihr das erklä­ren zu können.

In einem fran­zö­si­schem Zug/Métro. Män­ner mit har­ten Gesich­tern stei­gen ein, for­dern auf, die Bil­lets vor­zu­zei­gen. Habe keins, pein­lich. Mit ande­ren Pas­sa­gie­ren gibt es ein Hand­ge­men­ge, das nut­ze ich, um beim nächs­ten Halt hin­aus­zu­sprin­gen. Direkt neben der Tür ist ein Trep­pen­haus mit Fahr­stuhl. Hin­ein und nach unten. Stei­ge aus und flie­he, klet­te­re über die Trep­pen­ge­län­der, die sich um den Fahr­stuhl schlin­gen, wei­ter hinunter.

In ein WC, das groß und mit dunk­lem Holz getä­felt ist. Es gibt Podes­te an den Wän­den,  als Sitz- und Abla­ge­mög­lich­kei­ten. Aus mei­nem Ruck­sack ist ein wei­ßes T‑Shirt auf den Boden gefal­len. Las­se mich auf einer Bank nie­der und ord­ne mein Gepäck. Sehr schön, fast wohn­lich hier. Sage das zu einer Beglei­te­rin. Beim Ver­las­sen sehen wir neben der Tür ein Namens­schild: Ein fran­zö­si­scher Beam­ter hat sei­ne Woh­nung für die Dau­er von Bau­ar­bei­ten zur Ver­fü­gung gestellt.

CD von Igor Levitt mit Bach-Chora­len, tran­skri­biert für Kla­vier von Fre­der­i­co Buso­ni. Recher­chie­re nach der Melo­die des ers­ten, Komm, Gott Schöp­fer, Hei­li­ger Geist. Jetzt erst ver­ste­he ich, wo die­se Melo­die im Stück auf­taucht – in den lan­gen Noten der Ober bzw. Unter­stim­me. Und nichts ist dem Zufall über­las­sen: Die Trio­len bezie­hen sich auf die Drei­fal­tig­keit …https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​o​H​F​P​J​k​x​n​-g4

28.1., Diens­tag

Eröff­nung in der Anti­ken­samm­lung. Vol­les Haus, vie­le aus der Seces­si­on oder ihrem Umfeld. Tref­fe aber auch Danie­la Coma­ni, die ich für den Künst­ler­bund vor­ge­schla­gen hat­te, und die aus Ber­lin gekom­men ist;Albert Weis, der die Aus­stel­lung mit aus­ge­dacht und ange­lei­ert, sich um För­de­rung geküm­mert hat, anfangs auch mit aus­stel­len soll­te, dann aber wegen sei­ner gleich­zei­ti­gen Mit­glied­schaft im Vor­stand des Künst­ler­bunds und in einer Jury für För­der­mit­tel sei­ne Teil­nah­me zurück­ge­zo­gen hat­te, aus „poli­ti­schen“ Grün­den. Bei einer sol­chen Aus­stel­lung mit zwei doch sehr unter­schied­li­chen Ver­ei­nen geht es eben auch um Poli­tik. Die Grund­idee sehr gut: Künst­ler­ver­bän­de näher zusam­men­zu­brin­gen, sicht­ba­rer zu machen, unter Ver­weis auf eine gemein­sa­me Aus­stel­lung, vor 120 Jah­ren, am sel­ben Ort wie heu­te.
Wenn ich auch nur in der vorschlagende/auswählenden Jury war, so wer­de ich doch auch mit für die Kura­ti­on ver­ant­wort­lich gemacht und dar­auf ange­spro­chen – was dann doch zuviel der Ehre ist. So soll ich z.B. Aus­kunft dar­über geben, ob das mar­morblank glän­zend polier­te Ei von Karin San­der wirk­lich roh ist, wie im Schild ange­ge­ben … Sie selbst ist lei­der nicht da. Tref­fe Ste­fan Wisch­new­s­ki, der sich ganz begeis­tert zeigt über die Aus­stel­lung. Freut mich. 

Timm Ulrichs ist auch da, inzwi­schen fast 85. Von ihm die Moti­ve der Ban­ner am Gebäu­de – zwei Figu­ren, Abfor­mun­gen sei­nes eige­nen nack­ten Kör­pers, jeweils die unte­re oder obe­re Kör­per­hälf­te „ein­ge­haust“, durch einen Kubus abge­deckt. Gute Arbeit, die auch zum The­ma Figu­ra­ti­on – Anti­ke passt.
Er selbst sieht etwas lädiert aus, blaue Fle­cken im Gesicht; von einem Sturz am Bahn­gleis, wie ich erfah­re. Doch geis­tig rege wie eh und je. Inter­es­siert und gründ­lich sieht er sich die Aus­stel­lung an – und besteht auf der Aus­hän­di­gung des Kata­logs – den er sich auch gleich in den Roll­kof­fer packt.

Schö­ne Objek­te von Karen Pon­top­pi­dan, aus Sil­ber­blech; ein Bügel­eisen, Nudel­holz, Fleisch­klop­fer – in einer Vitri­ne mit Sta­tu­et­ten der Sezes­si­ons­zeit, Nixen etc.,  schön in der Anspie­lung auf Weib­lich­keit und Ste­reo­ty­pen. Gut gehängt und dis­po­niert und mit­ein­an­der in Bezie­hung gesetzt alles, das kann Johan­nes Mug­gen­tha­ler einfach.

Von der Anti­ken­samm­lung wird gegen vier­tel nach neun lang­sam das Ende der Ver­an­stal­tung ein­ge­läu­tet, in wahrs­tem Sin­ne des Wor­tes, mit einem Gong, mit dem Mit­ar­bei­ter durch die Räu­me gehen. Und dann wird auch schon mit dem Wischen ange­fan­gen; die lang­sa­me, schwin­gen­de Bewe­gung des Wisch­mops am Boden, um die Kunst­wer­ke herum.

Aus dem Gebäu­de hin­aus auf den Königs­platz, die Bri­en­ner­str. Hin­un­ter. In die Pfäl­zer Wein­stu­be, end­lich etwas essen – die Brot- und Käse­häpp­chen waren schnell aus. Net­te Grup­pe, mit Danie­la, Anto­nio Gui­di, Karen Irm­er, Patri­cia Wich. Am Tisch auch Tan­ja Fen­der, mit der ich mich, wie sie sich erin­nert, ein­mal auf Rus­sisch unter­hal­ten hat­te – so kommt das Gespräch auf Russ­land, den Krie­ge gegen die Ukrai­ne etc. Sie merkt an, dass selbst die Pro­pa­gan­da in Russ­land nicht mehr das sei, was sie ein­mal war, die Spra­che verroht.

Danie­la Coma­ni berich­tet von ihren Ber­lin-Erfah­run­gen – gera­de als sie nach dem Stu­di­um in Bolo­gna dort war, geschah der Mau­er­fall – und dann war es so inter­es­sant, dass es kei­nen Grund mehr gab weg­zu­ge­hen. Schon benei­dens­wert, das aus nächs­ter Nähe mit­zu­be­kom­men. Sie ist 10 Jah­re älter als ich, hat auch nächs­te Woche Geburts­tag, am 3.2. …

13.–16.1. — Jour­nal, Paris

13.1.25, Mon­tag, Paris

Ber­lin-Mann­heim. Selt­sa­mer Traum, der so gar nichts mit der Situa­ti­on im Zug zu tun hat: kaue­re mit ande­ren in einer Höh­le, wir sin­gen ein Lied mit schö­ner, ver­trau­ter Melo­die zur Gitar­re  „Und am Abend zie­hen Gauk­ler durch den Wald …. Weht der Wind mild und leis ….“

Die Nacht ziem­lich hart: Unru­he (Leu­te tele­fo­nie­ren, unter­hal­ten sich) trotz der spä­ten Stun­de, dann die dau­ern­den Hal­te und Durch­sa­gen (Stend­al, Han­no­ver, Göt­tin­gen (3 Uhr!), Frank­furt, Mann­heim), der Kampf mit den Sit­zen und dem Krib­beln in den Bei­nen, das erst bes­ser wird, als ich mich auf einem Vie­rer­sitz aus­brei­te, die Füße hoch­le­gen kann; die Anspan­nung und der häu­fi­ge Blick aufs Smart­phone, ob der Anschluss in Mann­heim gegen 7 Uhr  erreicht wird… Wird er, doch ste­he ich auf dem zugi­gen Bahn­steig. Jetzt geht es flot­ter, auf der TGV-Tras­se kann der ICE sei­ne Geschwin­dig­keit ausfahren.

Gegen 10 Uhr Ankunft. War lan­ge nicht mehr hier, zuletzt vor gut 10 Jah­ren, 2013? Und schon wie­der begeis­tert, als sich die glas­ge­deck­ten Stre­ben über mir wöl­ben: das ist ein Bahn­hof! – nicht die ewi­gen Bau­stel­len und Nach­kriegs­kon­struk­tio­nen in Deutsch­land. Dage­gen die Stren­ge des Sys­tems öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel. Gar nicht so ein­fach, sich eine Fahr­kar­te für die Metro zu besor­gen. Durch Gän­ge und Tun­nels, wesent­lich aus­ge­dehn­ter als in Berlin.

Unter­kunft Nähe Sully/Morland, im Peo­p­le Marais. Dort im 7. Stock, mit guter Aus­sicht auf die Umge­bung und weit in die Stadt. Das Zim­mer mini­ma­lis­tisch, mit Anklän­gen an die 60er Jah­re, Le Cor­bu­si­er etc, Decke Sicht­be­ton, Boden dunk­ler Estrich.

Tref­fe in einem Café am Place d’Étoile Chris­ti­ne Demi­as, die ich von “Calen­dar 2025” im ein​Buch​.haus her ken­ne, wo sie den März gestal­tet hat, und auf den Call mit einem wei­te­ren geant­wor­tet hat, zu einer Aus­stel­lung, und die Ein­la­dung dazu als Bei­trag abge­druckt. und die ein Über Buch­pro­jek­te, und über das ABC (Artist’s Books Coope­ra­ti­ve), eine Grup­pe von Leu­ten, die gemein­sam auf Mes­sen etc. auf­tre­ten. Da könn­te ich mich bewerben/beitreten. Über Gale­rien und Buch­lä­den, sie emp­fiehlt Ivon Lambert.

E. kommt an. Gang am Sei­ne-Ufer. Sehe bei den Buch­stän­den einen Bla­ke & Mor­ti­mer-Comic, den ich noch nicht habe, „Les 3 for­mu­les du Prof. Sato“, der letz­te, den Jacobs noch selbst gezeich­net hat. Kau­fe ihn. Fühlt sich gut an, ein Buch gleich nach der Ankunft erwor­ben zu haben.

Nôt­re Dame, vor kur­zem wie­der­eröff­net. Auf dem Bau­zaun Dar­stel­lung der ver­schie­de­nen Gewer­ke, die Repa­ra­tur des Dach­stuhls, die Stein­metz­ar­bei­ten. Als wir hin­ein­ge­hen und ich das neue Gewöl­be sehe, bin ich so bewegt, dass es mich selbst über­rascht, habe Trä­nen in den Augen. Den­ke an die Feu­er­wehr­leu­te, die beim Brand 2019 ums Leben gekom­men sind, die Bil­der von der Ver­wüs­tung, vom ein­ge­stürz­ten Gewöl­be der Vie­rung. Und jetzt die­se Leis­tung, etwas wie­der heil zu machen – unab­hän­gig vom Glau­ben. Dass eine Gesell­schaft so etwas noch zu Stan­de bringt, in nur fünf Jahren.

Ins Cent­re Pom­pi­dou. Heu­te letz­ter Tag der Sur­rea­lis­ten-Aus­stel­lung, zu voll. Aber die stän­di­ge Samm­lung ist auch beein­dru­ckend, und es gibt vie­les, das ich nicht ken­ne bzw. mich nicht erin­nern kann, dass ich es schon ein­mal gese­hen hät­te: Eine gro­ße Instal­la­ti­on von Beuys, ein Raum mit Filz­rol­len an den Wän­den, iso­liert, Geräu­sche gedämpft, in der Mit­te ein Flü­gel. Schif­fe von Anselm Kie­fer, als Objek­te beein­dru­ckend, die Kom­bi­na­ti­on mit Schrift/Zitaten bzw. Daten der Welt­ge­schich­te (See­schlach­ten) lädt sie zu stark mit Bedeu­tung auf.
Aber auch bei der Male­rei eini­ges zu ent­de­cken: Bil­der von Derain, 2 Boo­te, dia­go­nal ins Bild gesetzt und ange­schnit­ten; inter­es­sant-rät­sel­haf­te Titel, fast lite­ra­risch: “L’hom­me indif­fe­rent” von Geor­ges Rib­e­mont, erin­nert an Musils “Mann ohne Eigen­schaf­ten”. Pica­bia — wuss­te nicht mehr, dass der auch sehr gut malen konn­te. Geor­ges Renault mit sei­nen dunk­len, schwarz umris­se­nen Figu­ren. Duch­amp nicht nur mit einer schwe­ben­den Schnee­schau­fel, die so auf­ge­hängt eine beson­de­re Prä­senz bekommt, an ein Flug­zeug oder auch ein Fall­bei erin­nert, son­dern auch mit einer schö­nen, fili­gra­nen auf­wen­di­gen Metall-Glas-Arbeit, er hat eben nicht nur Rea­dy­ma­des gemacht. Klee, Male­ri­sche Pla­kat-Abreiß­ar­bei­ten von Ray­mond Hains …

Gegen 9 schließt das Haus; zu den Schließ­fä­chern, die als Design-Glas­ku­ben gestal­tet sind und je nach Bele­gung rot oder grün leuch­ten; sind etwas war­tungs­in­ten­siv, vie­le sind außer Betrieb, leuch­ten gar nicht; Über­haupt scheint es nicht ein­fach, so ein gro­ßes Haus, so eine gro­ße Maschi­ne am Lau­fen zu hal­ten.

Rich­tung Sei­ne, Rue de Temp­le. Neu­gie­rig, was sich hin­ter “temp­le” ver­birgt: eine evang. Kir­che; Im Café Sul­ly Imbiss.

14.1., Diens­tag

Zum Louvre/Palais Roya­le, wo E. in der Nähe, am INHA in der Rue Col­bert, das Semi­nar hat. Gang durch Innen­hö­fe. Instal­la­ti­on von Dani­el Buren mit Säu­len in ver­schie­de­nen Höhen und mit Gän­gen auf zwei Ebe­ne, erschließt sich mir nicht gleich. In der Biblio­te­que Natio­na­le. Der legen­dä­re ova­le Lese­saal mit dem Glas­dach — als für alle offe­ner Saal ein­ge­rich­tet, mit einem “Best of” in den Rega­len, zu Kunst, Thea­ter, Film — und einem ein­fas­sen­den Kreis von Ban­des Des­si­nées. Als Bücher/Medien, mit denen sich in Frank­reich fast alle iden­ti­fi­zie­ren kön­nen.
Der Saal Lab­rous­te dage­gen als spe­zia­li­sier­ter Lese­saal für Kunst­his­to­ri­ker. Hier hat u.a. Ben­ja­min gear­bei­tet. Immer­hin kann man als Besu­cher ein­tre­ten und sich die mit Pflan­zen und Blät­tern aus­ge­mal­ten Gewöl­be ansehen. 

Am spä­ten Nach­mit­tag, nach dem Semi­nar von E., ins Musée d’Or­say. Gute Inter­ven­tio­nen von Elmgreen/Dragset, die rea­lis­ti­sche Figu­ren in die Skulp­tu­ren- und Bil­der­samm­lung des 19. Jahr­hun­derts ein­ge­schleust haben. Ein Jun­ge kniet auf dem Boden vor den “Die Römer der Dèca­dence” und zeich­net. Hoch oben steht einer ande­rer auf einem Sprung­turm, ein wei­te­rer auf der Gale­rie, mit einem Foto­ap­pa­rat.
Van Goghs Kir­che in Oise: die­se Ent­schie­den­heit, mit der die Umris­se gezo­gen sind; hat auch etwas mit Tap­fer­keit zu tun, sich nicht Unter­krie­gen las­sen. Und dann leuch­ten die Fens­ter in Blau…

15.1. Mitt­woch

Im Musée des Arts et Métiers. Von außen mit der goti­schen Kir­che als Bestand­teil bereits viel­ver­spre­chend. Zunächst Aus­stel­lung über Car­bo­nic Foot­print bzw. Emprun­te du Car­bon. Gut gemacht, bes­ser als in Rom, wo wir ja im Museo del­la Sto­ria Natu­ra­le waren, etwa ver­gleich­bar. Doch die his­to­ri­schen Säle schon beein­dru­cken­der, mit den Sex­tan­ten, Mess­in­stru­men­ten, mit der Lavoi­sir-Maschi­ne zur Zusam­men­füh­rung von Was­ser­stoff und Sau­er­stoff, den Waagen …

Das Bes­te am Schluss : Das Fou­cault­sche Pen­del in der Égli­se St Martin.

Zu Lau­rence Dumaine Cal­le, gleich neben St Sulpi­ce. “Sacred Distancing” liegt auf ihrem Tisch, der grü­ne Punkt auf ihrer Kaf­fee­tas­se passt gut zum Sti­cker auf dem Cover. Zei­ge ihr auch “Wer ist / Chi è … Albert”.
Dann zeigt sie mir ihre Samm­lung bzw. die ihres Man­nes, die sie weiterführt. 

Da sind Inku­n­ablen, von Hans Peter Feld­mann, Bol­tan­ski, z.T. von Bob Cal­le her­aus­ge­ge­ben, Gil­bert u. Geor­ge, Sol Lewitt, Pen­no­ne etc. Aber auch neue­res, ein Buch von Sus­an Hil­ler mit Fotos von Stra­ßen­schil­dern, die auf die Prä­senz von Juden in Deutsch­land ver­wei­sen, The J.Street Pro­ject. Das passt auch zum Denkmal-Projekt. 

Zu Fuß nach St Ger­main, auf Emp­feh­lung von Lau­rence dort in eine Buch­hand­lung, die auf Künst­ler­bü­cher spe­zia­li­siert ist, in der Rue de l’ab­baye, Del­pi­re & co. Zei­ge dort “Sacred Distancing” und “Län­der­kenn­zei­chen” dem Inha­ber, Thé­o­phi­le Calot; wir ver­ein­ba­ren, dass ich Exem­pla­re vorbeibringe/schicke.

16.1. Don­ners­tag

Rück­fahrt nach Deutsch­land. Geht deut­lich bes­ser als die Hin­fahrt, da tagsüber. 

Tref­fe in der Mit­tel­hal­le im Haus der Kunst Vic­tor Stern­wei­ler, zusam­men mit Benia­mi­no Foschi­ni, der an der Thea­ter­aka­de­mie Ästhe­tik unter­rich­tet. Mit ihnen in die Aus­stel­lung von Pus­sy Riot, im Kel­ler-Unter­ge­schoss. Sehr laut, bunt, inten­siv. Gut! Hut ab vor dem Kampf gegen die Staats­macht und Polizeigewalt.

10.–13.1.25 — Journal

10.1., Mon­tag

Unru­hi­ger Schlaf, trotz der Müdig­keit: Die Trop­fen von Regen und schmel­zen­dem Schnee fal­len laut auf die ble­cher­nen Abde­ckun­gen der Fens­ter­bret­ter, und das nicht regel­mä­ßig-beru­hi­gend, son­dern enervierend. 

Vie­le wil­de Träu­me – die nach dem Auf­wa­chen aber zer­rin­nen. In einen gro­ßen lee­ren Raum fährt auf einem Roll­stuhl ein blin­der Mann, der als Hel­fer, als Ret­ter auf­tre­ten soll. Er brei­tet die Arme weit aus.

Vor­be­rei­tun­gen zur Paris­rei­se, auch sprach­lich. Ver­su­che den Leu­ten auf Fran­zö­sisch zu schrei­ben, um mich zu üben, und auch
Le matin, après, je essaye du con­tin­uer où je ai lais­sé le tra­vail le jour der­nier. Com­ment l’usage du accent aigu ou gra­ve pour moi n’est pas clair, je fais une recher­che. J’ai étu­dié l’usage – mais ça sera plus un cho­se de s’entraîner que de en savoir. 

Am Nach­mit­tag bei der Prä­sen­ta­ti­on der Künst­ler­bü­cher aus der Samm­lung Mar­zo­na mit (wie­der selbst­ver­ur­sach­ten) Hin­der­nis­sen: Den­ke zuerst, es sei im Ham­bur­ger Bahn­hof und rad­le da eilig hin doch da wis­sen sie nichts, dann schnell wei­ter zur Natio­nal­ga­le­rie, mit dem Rad durch den Tier­gar­ten, vol­ler Pfützen.

Aber lohnt sich dann: sehr inten­si­ve, kon­zen­trier­te Zeit, Micha­el Lail­ach und Kol­le­gin von der Kunst­bi­blio­thek stel­len Bücher von Hans Peter Feld­mann, Bol­tan­ski u.a. vor. Dabei sind Ideen für Bil­der­se­ri­en, die ich auch schon hat­te: etwa zer­wühl­te Bet­ten mor­gens. Also: bes­ser nach­se­hen, ob es die Idee nicht schon gibt – oder ver­su­chen, sie anders zu machen. Das Inter­view-Buch mit Hans Ulrich Obrist, bei dem er auf eine Fra­ge non­ver­bal ant­wor­tet, mit einem Bild – köst­lich. Dass Bol­tan­ski so einen fai­ble für Karl Valen­tin hat­te, auch viel Komi­sches gemacht hat, etwa die Serie mit den fake-Selbst­mor­den — wuß­te ich nicht. 

Vie­le bekann­te Gesich­ter im Publi­kum: Erik Stein­bre­cher, Ste­fan Römer, Adib Fri­cke, Knut Ebe­l­ing mit Part­ne­rin, Han­na Hen­nenk­em­per, die Pro­fes­so­rin an der Kunst­aka­de­mie Stutt­gart ist; teils muss­te ich erst die Namen wie­der hervorsuchen. 

Dann, schon ein­mal in der Natio­nal­ga­le­rie, noch in der Nan Gol­din-Aus­stel­lung. Es sind eigent­lich Fil­me, die gezeigt wer­den, bzw. Dia-Shows, mit Musik oder gespro­che­nem Kom­men­tar, z.T. Pro­jek­tio­nen auf meh­re­ren Bild­schir­men, in auf­wen­dig gebau­ten Kinosälen/Pavillons. Vor allem der über ihre Schwes­ter Bet­ty, die mit 20 Selbst­mord began­gen hat, ist schon sehr berüh­rend. Da haben man­che Zuschau­er Trä­nen in den Augen (ich eingeschlossen).

Auf dem Rück­weg in den Wed­ding noch in der Per­le­ber­ger­str. vor­bei, Aus­s­stel­lung beim Art-Lab, mit dabei: Pfel­der und Simo­ne Zaugg mit einem Video.
Kalt, auf dem Rad.

11.1. Sams­tag

Schi­cke die Vor­schlä­ge für den Bei­trag im Salon-Maga­zin end­lich an Ger­hard Thee­wen.
(Auf­schrif­ten aus dem Kel­ler in DLG, Objek­te mit Schild “Bit­te nicht berühren”). 

Nach­mit­tags Ket­te von zumeist kur­zen Stopps: zunächst zu einem Copy­shop in der Per­le­ber­ger, dann zu ep.contemporary, die dor­ti­ge Grup­pen­aus­stel­lung anse­hen, “you are invi­ted . du bist ein­ge­la­den”. Tref­fe dort den Neu­zu­gang in der Grup­pe, FD Schlem­me, der den Raum links bespielt mit Plas­ti­ken. Gutes Zusam­men­spiel, mein Ein­druck. Er ist in Ber­lin gebo­ren, wie sich im Gespräch her­aus­stellt, eine der weni­gen Per­so­nen, die ken­ne und auf die das zutrifft.
Kurz zum nahen HAUNT/frontviews, noch in einen Copy­shop am Ernst-Reu­ter-Platz, einen Aus­weis lami­nie­ren las­sen.
Zum Miss-Read-Talk im Wed­ding. Lau­fe vom Leo­pold­platz aus erst­mal eine Run­de, bis ich wie­der in die Gericht­str. fin­de. Vie­le Leu­te. Anto­nia Hirsch stellt ihre Monog­ra­hie vor, zugleich Künst­ler­buch . Da gibt es man­che gemein­sa­me Inter­es­sen, u.a. das für Indi­ces: ein auf­wen­di­ger interpretierender/kommentierender ist bewusst in die Mit­te des Buches gesetzt, neon­rot gedruckt hebt er sich auch im Schnitt als zen­tral mar­kiert ab. Ihn hat eine pro­fes­sio­nel­le Index­spe­zia­lis­tin erstellt, auf Emp­feh­lung von Den­nis Dun­can, wie ich spä­ter erfahre! 

Inter­es­sant sprach­li­che Aspek­te: das Gespräch ist auf Eng­lisch (viel­leicht des­halb auch so vie­le Teil­neh­mer?); Anto­nia führt es mit Gill Par­ting­ton, Buch­wis­sen­schaft­le­rin, die ein sehr schö­nes bri­ti­sches Eng­lisch spricht. Bei Anto­nia, die per­fekt ein amerikanisch/kanadisch gefärb­tes Eng­lisch spricht, merkt man  erst bei eini­gen deut­schen Aus­drü­cken (Nach­lass, Staf­fe­lung), dass sie kei­ne eng­li­sche Mut­ter­sprach­le­rin ist.
Jay­ne Wil­kin­son, Publi­zis­tin und Lek­to­rin, blät­tert im Buch, das per Smart­phone gefilmt und dann pro­ji­ziert wird – gute Art der Prä­sen­ta­ti­on.
Kau­fe ein Exem­plar. Danach in eine Piz­ze­ria in der Gericht­str, “Sot­to”. Mich­a­lis, Annet­te Gil­bert, Gill , Jay­ne, Anto­nia mit Part­ner. Net­te Run­de. Das fehlt mir sonst häu­fig nach Ver­an­stal­tun­gen. Auch Annet­te G. ist eine gebür­ti­ge Ber­li­ne­rin, Ost. 

In Roland Bar­thes “Jour­nal du deuil”. Es wird spät. 

12.1. Sonn­tag

An den E‑mail-Ein­la­dun­gen zum Geburts­tag; bis da der klei­ne Text zum The­ma “Zeit” geschrie­ben, das Bild her­aus­ge­sucht und ein­ge­fügt ist, das mit den drei Uhren, dau­ert es doch etwas.

Natio­nal­ga­le­rie, noch ein­mal in der Künst­ler­buch­aus­stel­lung. Ohne Füh­rung und ohne Innen­an­sicht der Bücher ist sie frei­lich weni­ger inter­es­sant; auch die Fil­me, in denen die Bücher durch­ge­blät­tert wer­den, ver­mit­teln sie nur bedingt.

Zur Finis­sa­ge der Aus­stel­lung Anony­me Zeich­ner. im Kunst­raum Kreuz­berg. Tref­fe Bet­ti­na Huschek, zei­ge ihr mei­ne Zeich­nung. Ihre Arbeit ist ver­kauft wor­den, es war eine Schreib­ma­schi­nen­zeich­nung, mit Klam­mern, die nach unten hin sich auf­lö­sen, weg­brö­seln. Sie muss dann wei­ter, fliegt noch nach Mal­ta. Hät­te mir den Auf­ent­halt in der Neu­en Natio­nal­ga­le­rie spa­ren oder frü­her dort­hin sol­len; Jetzt habe ich Leu­te ver­passt, mit denen ich mich locker ver­ab­re­det hat­te, oder die Zeit mit ihnen ist knapp.
Kau­fe schließ­lich noch eine Zeich­nung, die von Isa­bel­le Dycker­hoff. Dies­mal geht die Abwick­lung glatt vor sich, anders als beim letz­ten Mal, als mir “der Saft aus­ging”. 250 € für eine der­art dich­te Zeich­nung, das ist eigent­lich nicht viel. 

Tref­fe noch einen Bekann­ten, Jakob Kirch­heim, mit ihm durch die Aus­stel­lung. Er hat hier einen Film in der Sek­ti­on “lines of fic­tion”. Eine Film­re­gis­seu­rin befragt uns über Zeichentechniken. 

Danach zurück nach Hause.

Um 23.35 Zug nach Mann­heim, wei­ter nach Paris. Habe mir fest vor­ge­nom­men, recht­zei­tig los­zu­ge­hen; doch dann wird es wie­der knapp: bis alles abge­spült und auf­ge­räumt ist, alles gepackt und ange­zo­gen; in der U‑Bahn fah­re ich, unkon­zen­triert und auf das Han­dy schau­end, in die fal­sche Rich­tung, wie­der aus­stei­gen und retour, bis Gesund­brun­nen; der Regio­nal­zug von dort bis zum Haupt­bahn­hof fährt erst mit 15 Minu­ten Abstand, lie­ße mir nur 3 Minu­ten zum Umstei­gen – sehr wenig. Neh­me ein Taxi, die Fahrt­dau­er unter 10 Minuten.

Glück­lich im Zug.