Liednummern, gebrauchte Gesangbücher
ca. 350 x 300 x 300 cm
Kunsthalle Göppingen, C 1
2014 erscheint eine neue Auflage des katholischen Gesangbuchs „Gotteslob“. Die bisherige Auflage wird dadurch funktions- und wertlos, ähnlich wie bei der Einführung einer neuen Währung. Die bis dato benutzte Auflage erschien 1975, zufällig dem Geburtsjahr von Albert Coers. Er ist also buchstäblich damit aufgewachsen.
Der Titel 669 (Aus meines Herzens Grunde) bezieht sich auf Nummer und Anfang eines Morgenliedes aus dem Buch. Er spielt mit der emotionalen Verbundenheit mit dem Medium, aber auch mit dem Prozess des Umkehren/Umdrehens von Zahlen und Funktionen.
Die Bücher werden in der Region gesammelt, in der Coers aufgewachsen ist, Ulm, Dillingen, Höchstädt und Günzburg, Augsburg, ergänzt um Exemplare aus dem Raum Göppingen, in der sich die Kunsthalle befindet.
Sie werden in einen Kunstraum transferiert, und entfalten dort, losgelöst von ihrem Nutzungszusammenhang und konzentriert auf ihre Materialität, in einem nicht religiös konnotierten Umfeld Selbständigkeit. Freigestellt von ihrer ursprünglichen Funktion werden sie Material einer temporären Skulptur, die in ihrer Struktur, Modularität und Farbe an Architekturen der 1970er Jahre erinnert. In der zusammengesetzten Struktur aus einzelnen Bausteinen manifestiert sich ein kollektives Gedächtnis, das dennoch auf einzelne Nutzer und ihren Anteil zurückgeht. Die verschiedenartigen Einbandfarben- und arten, auch die Gebrauchspuren, die sich in der Verfärbungen der Einbände und Seiten, in abgestoßenen Kanten, in verschobenen Blättern zeigen, führen das individuelle Moment jedes Exemplars trotz der Präsentation im Verbund vor Augen.
“In der hinteren Ecke von C 1 türmt sich eine Skulptur in die Höhe. Durch Drehen und Wenden bildet sich eine konstruktive Struktur. Buch auf Buch, im 90° Winkel zueinander gefügt, stapeln sich zu einem Gebilde. Hier wird der Eindruck eines Gebäudes suggeriert. Zwischenräume sind sichtbar, das Ganze hat eine Transparenz in der Tiefe, dadurch, dass man hinter die Bücher und unter die Bücher schauen kann. Dieser Blick in die Tiefe, in die Zwischenräume, die da entstanden sind, verleiht der Buch-Skulptur eine starke räumliche Wirkung. Man ist an eine Stadt erinnert, an eine alte Stadt, die aus einer Mitte heraus gewachsen ist, Schicht auf Schicht. Das Drehen und Wenden nimmt insgeheim Bezug auf die Ziffer 669. Denn die 6 und die 9 unterscheiden sich nur in der jeweiligen Drehung, was Oben ist und was Unten sein soll. 669 ist auch 699.” (Silke Schuck, 2014)
Die Bücher werden weitertransportiert nach Berlin und dort im Projektraum Kurt-Kurt installiert. Der Titel der dortigen Arbeit 696 (Bevor des Tages Licht vergeht) bezieht sich auf Nummer und Anfang eines Abendliedes aus dem Buch, variiert/permutiert so den Titel der Ausstellung in der Kunsthalle Göppingen.