13.–14.9.25 — Jour­nal- Open Stu­di­os — Uferhallen

Für den Neu­en Ber­li­ner Kunst­ver­ein habe ich Füh­run­gen durch die Ate­liers der Ufer­hal­len Ber­lin gemacht. Ohne selbst ein Ate­lier dort zu haben, bin ich mit meh­re­ren Künst­lern befreun­det und Mit­glied im Ufer­hal­len e.V. , dem Ver­ein, der sich als Inter­es­sen­ver­tre­tung nach dem Ver­kauf des Gelän­des grün­de­te. Die Tage der Offe­nen Ate­liers die­nen auch dazu, die Sicht­bar­keit der Ate­liers und der Men­schen, die dort arbei­ten, zu verstärken.

Dies­mal ist die Idee, neben der Aus­stel­lung “A Hid­den Well”, die par­al­lel im Wed­ding statt­fin­det, Gäs­te zu den Aus­stel­lun­gen in die Ate­liers ein­zu­la­den und so den Kreis zu erwei­tern. Auf dem Weg zu mei­ner Woh­nung in der Osloer­str. kommt mir Peter Dobrosch­ke auf dem Fahr­rad vor­bei. Er winkt, hat es eilig, in Vor­be­rei­tung sei­ner Archi­tek­tur­füh­run­gen — heu­te ist Tag des offe­nen Denk­mals — und der Open Stu­di­os in den Uferhallen.

Dort bin ich dann auch unter­wegs. Sehr schö­ne Arbei­ten von eben Peter in sei­nem Ate­lier, als Gäs­te Ste­fan Alber und Caro­li­ne Bay­er (ihr insta­gram-Name „Calo­ri­ne“ – wit­zig – und zeigt an, dass man das Gan­ze nicht so ernst neh­men muss!). Sie hat eine Instal­la­ti­on, „Form ohne Namen“, von klei­nen Fund­stü­cken aus dem Nach­lass ihrer jüngst­ver­stor­be­nen Mut­ter (Zwei­ge, Stoff­rol­len, ein gefal­te­tes Papier, ein Nagel…) auf einem Ras­ter an der Wand, als Art Spiel­feld, aber auch als Kom­po­si­ti­on. Gefällt mir gut, und passt zur Arbeit von Peter dane­ben, der die 9 qua­dra­ti­schen Fens­ter­fel­der sei­nes Ate­liers für ein Käst­chen­spiel benutzt, wo man immer 3 in einer Rei­he zu plat­zie­ren ver­sucht. „Um jeden Qua­drat­me­ter“ heißt die Arbeit, spielt an auf die heiß umkämpf­ten Flä­chen der Uferhallen-Ateliers.

Schön auch sei­ne Instal­la­ti­on „Pla­nungs­kas­ka­den für Ver­wor­fe­nes“, mit in der Grund­riss­form sei­nes Ate­liers zusam­men­ge­kehr­tem Staub, der als Foto auf einer an ein Kehr­blech erin­nern­den Blech­kon­so­le prä­sen­tiert ist, die von zwei Besen gestützt wird. Auf dem Regalblech thront noch ein Wischer, in den ein wei­te­rer Print gesteckt ist – von zusam­men­ge­kehr­tem Staub.

Im Ate­lier von Ste­fan Alber, der gleich­zei­tig auch Gast bei Peter ist, eben­falls schö­ne Arbei­ten zwi­schen Objekt und Foto­gra­fie: eine Tisch-Objekt­skulp­tur, Umset­zung einer futu­ris­ti­schen Gra­fik aus den 1920er-Jah­ren auf einem Bier­de­ckel. Geni­al ein­fach aber sei­ne 50-Pfen­nig-Mün­ze, mit dem Eichen­bäum­chen, das eine Frau pflanzt, in eine genau pas­sen­de Eichel eingefügt.

Inter­es­sant auch hier die Ein-und Umbau­ten, die Gale­rien und Trep­pen, um die Rie­sen­hal­len nutz­bar zu machen.

Bei Man­fred Peckl, der Namen in Skulp­tu­ren ver­wan­delt, wobei immer zwei gegen­läu­fig ver­wen­det sind, und dabei ihr Geschlecht ändern, z.B. „Jason“ und „Son­ja“. Fahr­rä­der hän­gen unter der hohen Decke.

Har­riet Groß, die ich zum ers­ten Mal näher ken­nen­ler­ne, hat zwei Kol­le­gin­nen ein­ge­la­den, Maya Roh­wet­ter und Yoko Hata, deren kräf­tig far­bi­ge Bil­der und 3‑D-Ani­ma­tio­nen einen Kon­trast zu ihren eige­nen fili­gra­nen Draht­s­kulp­tu­ren und Gra­fi­ken darstellen.

Im turm­ar­ti­gen ehe­ma­li­gen Ver­wal­tungs­bau stei­gen wir nach oben. Dort wie­der über­rascht, wie bau­haus­mä­ßig die Archi­tek­tur ist: das Trep­pen­haus mit Kacheln, Hand­läu­fen und den Hän­ge­leuch­ten. Im obers­ten Stock­werk Bän­der von klei­nen, schma­len Fens­tern. Hier hat Ant­je Dorn, die auf der Miss Read Nach­ba­rin war, Danie­la Coma­ni, Hes­ter Oer­lem­ans und Mari­ke Schu­ur­man ein­ge­la­den. Von Ant­je sind Bil­der von Häu­sern, mit Armen und Bei­nen in mensch­li­che Wesen ver­wan­delt, Wind und Wet­ter aus­ge­setzt. Die Dach­flä­chen pas­sen zum Ate­lier­raum unterm Dach. Danie­la Coma­ni zeigt ein Foto des durch einen Baum­stamm zer­schmet­ter­ten Autos ihrer Mut­ter – wuss­te bis­her nicht, dass die Arbeit auf einen rea­len Vor­fall zurück­zu­füh­ren ist. Dass es ein Klein­wa­gen ist, ein Golf, ver­leiht der Arbeit etwas All­ge­mei­nes. Ins­ge­samt geht es locker asso­zia­tiv um das The­ma Kli­ma.
Ant­je schenkt mir nach der letz­ten Füh­rung ihr Künst­ler­buch „sdhud­dup“ aus der édi­ti­on sépa­rée vom Salon Ver­lag: Wör­ter, die ihr im All­tag, in der Zei­tung und auf Pro­duk­ten begeg­net sind, groß­zü­gig schwarz auf die Sei­ten gemalt.

Bei Wer­ner Lieb­mann im Gar­ten­haus: durch ein Tor betritt man einen Innen­hof, eine Idyl­le, mit Gar­ten und Teich­flä­chen. Als man das dem Maler gegen­über erwähnt, wehrt er ab: alle sprä­chen ihn auf die Gar­ten­idyl­le und sei­ne vor­teil­haf­te Wohn­si­tua­ti­on an, fast nie­mand auf sei­ne Bil­der. Und auch der Gar­ten sei ein Werk har­ter Arbeit. Er zeigt Fotos vom Zustand zuvor: der Hof betoniert.

Gegen Ende im Ate­lier von Hei­ner Fran­zen; schon der Weg hin­auf ins Ober­ge­schoss ist span­nend, um meh­re­re Ecken, vor­bei an beschrif­te­ten Fächern, säu­ber­lich auf­ge­schich­te­ten Rol­len von Digi­tal­dru­cken. Er zeigt vier gro­ße Pro­jek­tio­nen von Per­so­nen in Por­trät­an­sicht, die nichts sagen, sich bis auf augen­schein­lich zufäl­li­ges Zwin­kern nicht bewe­gen. Es ent­spinnt sich ein Gespräch über Prä­senz: Fran­zen meint, sie ent­ste­he im Film/Fernsehen allein durch Da-Sein, das Nichts-Machen, das von der Kame­ra im Bild ein­ge­fan­gen wer­de, im Gegen­satz zur Büh­ne, wo das Agie­ren, Dekla­mie­ren eine viel grö­ße­re Rol­le spie­le. Für das Reagie­ren bei Konfliktsituationen/Provokationen emp­fiehlt er das Ver­trau­en auf Prä­senz, die­se Tak­tik des Nichts-Tuns, der Gegen­fra­ge, etwa „Kön­nen Sie das noch­mal wie­der­ho­len?“. Einer der Besu­cher, der ganz gern und häu­fig fragt, steigt dar­auf ein, bestä­tigt dies, gibt sich als Psy­cho­the­ra­peut zu erkennen.

Qui­rin Bäum­ler ist mit sei­ner durch eine stei­le Metall­trep­pe zu errei­chen­der Ate­lier­woh­nung ein guter Schluss­punkt. Da man durch Küche/Bad her­ein­kommt, ist hier der pri­va­te Cha­rak­ter am stärks­ten. Sie gleicht einer Kunst- und Wun­der­kam­mer, mit den vie­len Objek­ten aus Ton, Stein, Holz, den Büchern und Bildern. 

Er hat ein schö­nes Foto von Mar­ti­na, Vati und mir gefun­den, das er mir zeigt. Es stammt von 1996, ein Jahr nach dem Tod mei­ner Mut­ter. „Der Fami­lie Leo Bäum­ler an mei­nem 65. Geburts­tag […] herz­lich zuge­eig­net. In alter Ver­bun­den­heit“ hat mein Vater als Wid­mung auf die Rück­sei­te geschrie­ben. Er sitzt freund­lich lächelnd und gelöst da, wie man ihn auf Fotos sonst sel­ten sieht. Im Bild vie­le Gegen­stän­de, die, neben mei­nem Vater, so nicht mehr exis­tie­ren: das Kla­vier, der Fern­se­her … Ich tra­ge die kreis­run­de Nickel­bril­le, die ich kürz­lich als Objekt bei der Aus­stel­lung in Salz­burg ver­wen­det habe. Freue mich über das Bild – und wer­de gleich­zei­tig trau­rig … Kunst und Leben sind hier eng mit­ein­an­der verbunden. 

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