Super BOOKS, Messe für Künstlerbücher im Haus der Kunst, ist nach zwei anstrengenden Tagen zu Ende.
Die Messe war gut, habe ein paar Sachen verkauft, unter anderem das neue Buch „Schöppinger Schläger“, und „Englisch-Wörter 1990/2020“, viel geredet, manches gekauft, häufiger getauscht, interessante Leute und Publikationen kennengelernt.
Es sind viele von der Kunstakademie München da. Spontan angesprochen haben mich die Party-Servietten von Paula Niño, “Guilty Bites”, bedruckt mit verschiedenen reuevoll klingenden Aussagen aus Lockdown-Tagen, z.B. „I attended four online birthday parties and two virtual funerals”. Ich habe nur eine besucht, die wegen technischer Probleme ziemlich mühsam lief, aber kaufe trotzdem diese Serviette.
Kaufe/Tausche mit Kristian Ujhelji aus Wien Hefte aus seiner Serie „At the Night Gate“, schöne Zeichnungen in Schwarzweiß, mit einem Schuss Jugendstil, Wien, fließend-organische Linien; Haeckels Urformen des Lebens fällt mir ein, das passt schon alles zusammen und erinnert mich an längst vergangene Comic-Lektüren, in denen man richtig in die Bilder eintauchte. Er hat auch raffiniert gedruckte Folianten, die an Leonardo-Manuskripte erinnern.
Dann ist da Ayumi Rahn mit ihren „Interview“-Künstlerheften, die ich regelmäßig bei der Miss Read oder Friends with Books in Berlin sehe. Ich tausche das Heft Nr. 12, “Bedingungen” von 2019. Es enthält einen Bildessay von Wolken und Landschaft und drei Interviews , eines über den Tod eines Haustiers, eines über eine Bergtour in Regen und Kälte auf einen Vulkan, vermutlich in Asien, vielleicht auf den Fuji, eines über „Warten“. Namen und Orte der Sprecher werden nicht genannt, das verleiht den Texten eine Allgemeinheit, geht weg vom Journalistischen, die man mit dieser Form des Interviews verbindet. Ich finde es interessant, dass im Heft offengelassen wird, wann oder ob die Interviews überhaupt stattgefunden haben. Manche hören sich auch wie ein Hineinhören in sich, wie Selbstgespräche an. In der Tat, sie sind fiktiv, lese ich .
Wieder einen Stand haben auch Suolocco aus München, Sabine Bretschschneider und Andreas Ullrich, die mich bei mehreren Publikationen als Graphiker unterstützt haben, auch wieder bei “Schöppinger Schläger”. Sie haben Risodrucke, u.a. die Pseudologia Phantastica von Andreas Ullrich, aber auch von ihnen gestaltete Künstlerbücher, etwa von Gerald von Foris. Sehe Erik Steinbrecher von rakete.com, leider kurz, da ich wieder zum Stand zurückeile.
Mein Nachbar, Thorsten Fuhrmann, hat liebevoll Gemachtes, arbeitet viel mit gefundenen Text- und Bildmaterial. Bekomme von ihm ein Daumenkino „Aufräumen“, ein Titel, der mich anzieht. Innen Aufnahmen eines Installationsaufbaus aus dem KloHäuschen München, wo ich im Februar auch ausgestellt hatte. Interessant auch seine Wörterbucharbeiten „Slovar“ und zwei So-viele-Hefte, Bild-Dialoge mit Harry Sternberg.
Gegenüber der Stand der Edition Metzel. Tausche ein Exemplar von „Arbeit an der Pause“ gegen ein Buch von M+M (Marc Weis/ Martin De Mattia), das mich wegen seines Themas interessiert: das Scheitern eines Denkmals, wie es schon der Titel anzeigt: „Kein Freiheits- und Einheitsdenkmal“, was sich auf das Projekt in Leipzig bezieht. Das interessiert mich nicht zuletzt wegen des Denkmals für die Familie Mann in München, mit dem ich zugange bin. Im Buch ein Text von Walter Grasskamp, für jemand, der gerade mit einem Denkmal beschäftigt ist, ernüchternd: “[…] ich glaube nicht an politische Symbolknollen wie Mahnmahle und Denkmäler und halte die Metaphorisierungsleistungen der Kunst, nicht nur der modernen, für eher begrenzt.” (S. 10).
Also doch auch etwas anderes machen, z.B. Bücher.
Rechts von meinem Stand ist der Performer, der etwa alle halbe Stunde auf einen Stuhl steigt und einen Streifen mit Buchstaben hochhält – offenbar nach dem ABC geordnet, doch mit vielen Lücken und doppelten Zeichen, die sich der Systematik nicht einfügen. Die Reihe bleibt erstmal kryptisch, bis er mir erzählt, des handle sich um den Satz „ich akzeptiere“, bezogen auf die allgegenwärtigen Aufforderungen, im Internet Cookies und alles Mögliche zu akzeptieren. Gefällt mir in seiner Reaktion aus alltäglichen Zwang und in der Irritation. Der ebenfalls bewusst kryptisch-verschlüsselte Name: c8400.
Gegen Ende stehe ich noch am Stand der Edition Taube. Da sehe ich die schöne Serie von David Horvitz, die aus lauter gleichformatigen kleinen Taschenbüchern in unterschiedlichen Farben und Sprachen besteht. Anleitungen zum Bücherdiebstahl („How to steal books“), auf jeder Seite eine Möglichkeit. Tausche „Cómo robar libros“, um das etwas Spanisch zu üben.
Als ich meine Sachen zusammengepackt habe und das Haus der Kunst verlasse, sehe ich eine Kiste mit diesen Büchern unbeaufsichtigt im Gang stehen – und überlege, ob ich den Titel aufgreifen soll. Es ließe sich ein Eintrag hinzufügen: „Warte bei einer Buchmesse, bis alle zusammenpacken, allgemeine Hektik und Auflösung herrscht, und nimm dann unbeobachtet ein Buch aus einer Kiste.“ Ich habe es dann doch nicht gemacht.