27.1., Montag
Träume: In einem Lesesaal; an den Wänden Tische. An den Tischkanten angeklebtZettel, niedrig, so dass man sich hnkauern muss, um sie zu lesen. Darauf Wochenpläne, auf denen die Anwesenheit der Benutzer eingetragen ist. Nur dann ist eine Benutzung erlaubt, darf man Bücher länger als einige Stunden hier ablegen. Als ich vorbeigehe, spricht mich ein junge Italienerin darauf an, fragt, wie das funktioniere. Bin stolz, ihr das erklären zu können.
In einem französischem Zug/Métro. Männer mit harten Gesichtern steigen ein, fordern auf, die Billets vorzuzeigen. Habe keins, peinlich. Mit anderen Passagieren gibt es ein Handgemenge, das nutze ich, um beim nächsten Halt hinauszuspringen. Direkt neben der Tür ist ein Treppenhaus mit Fahrstuhl. Hinein und nach unten. Steige aus und fliehe, klettere über die Treppengeländer, die sich um den Fahrstuhl schlingen, weiter hinunter.
In ein WC, das groß und mit dunklem Holz getäfelt ist. Es gibt Podeste an den Wänden, als Sitz- und Ablagemöglichkeiten. Aus meinem Rucksack ist ein weißes T‑Shirt auf den Boden gefallen. Lasse mich auf einer Bank nieder und ordne mein Gepäck. Sehr schön, fast wohnlich hier. Sage das zu einer Begleiterin. Beim Verlassen sehen wir neben der Tür ein Namensschild: Ein französischer Beamter hat seine Wohnung für die Dauer von Bauarbeiten zur Verfügung gestellt.
CD von Igor Levitt mit Bach-Choralen, transkribiert für Klavier von Frederico Busoni. Recherchiere nach der Melodie des ersten, Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist. Jetzt erst verstehe ich, wo diese Melodie im Stück auftaucht – in den langen Noten der Ober bzw. Unterstimme. Und nichts ist dem Zufall überlassen: Die Triolen beziehen sich auf die Dreifaltigkeit …https://www.youtube.com/watch?v=oHFPJkxn-g4
28.1., Dienstag
Eröffnung in der Antikensammlung. Volles Haus, viele aus der Secession oder ihrem Umfeld. Treffe aber auch Daniela Comani, die ich für den Künstlerbund vorgeschlagen hatte, und die aus Berlin gekommen ist;Albert Weis, der die Ausstellung mit ausgedacht und angeleiert, sich um Förderung gekümmert hat, anfangs auch mit ausstellen sollte, dann aber wegen seiner gleichzeitigen Mitgliedschaft im Vorstand des Künstlerbunds und in einer Jury für Fördermittel seine Teilnahme zurückgezogen hatte, aus „politischen“ Gründen. Bei einer solchen Ausstellung mit zwei doch sehr unterschiedlichen Vereinen geht es eben auch um Politik. Die Grundidee sehr gut: Künstlerverbände näher zusammenzubringen, sichtbarer zu machen, unter Verweis auf eine gemeinsame Ausstellung, vor 120 Jahren, am selben Ort wie heute.
Wenn ich auch nur in der vorschlagende/auswählenden Jury war, so werde ich doch auch mit für die Kuration verantwortlich gemacht und darauf angesprochen – was dann doch zuviel der Ehre ist. So soll ich z.B. Auskunft darüber geben, ob das marmorblank glänzend polierte Ei von Karin Sander wirklich roh ist, wie im Schild angegeben … Sie selbst ist leider nicht da. Treffe Stefan Wischnewski, der sich ganz begeistert zeigt über die Ausstellung. Freut mich.
Timm Ulrichs ist auch da, inzwischen fast 85. Von ihm die Motive der Banner am Gebäude – zwei Figuren, Abformungen seines eigenen nackten Körpers, jeweils die untere oder obere Körperhälfte „eingehaust“, durch einen Kubus abgedeckt. Gute Arbeit, die auch zum Thema Figuration – Antike passt.
Er selbst sieht etwas lädiert aus, blaue Flecken im Gesicht; von einem Sturz am Bahngleis, wie ich erfahre. Doch geistig rege wie eh und je. Interessiert und gründlich sieht er sich die Ausstellung an – und besteht auf der Aushändigung des Katalogs – den er sich auch gleich in den Rollkoffer packt.
Schöne Objekte von Karen Pontoppidan, aus Silberblech; ein Bügeleisen, Nudelholz, Fleischklopfer – in einer Vitrine mit Statuetten der Sezessionszeit, Nixen etc., schön in der Anspielung auf Weiblichkeit und Stereotypen. Gut gehängt und disponiert und miteinander in Beziehung gesetzt alles, das kann Johannes Muggenthaler einfach.
Von der Antikensammlung wird gegen viertel nach neun langsam das Ende der Veranstaltung eingeläutet, in wahrstem Sinne des Wortes, mit einem Gong, mit dem Mitarbeiter durch die Räume gehen. Und dann wird auch schon mit dem Wischen angefangen; die langsame, schwingende Bewegung des Wischmops am Boden, um die Kunstwerke herum.
Aus dem Gebäude hinaus auf den Königsplatz, die Briennerstr. Hinunter. In die Pfälzer Weinstube, endlich etwas essen – die Brot- und Käsehäppchen waren schnell aus. Nette Gruppe, mit Daniela, Antonio Guidi, Karen Irmer, Patricia Wich. Am Tisch auch Tanja Fender, mit der ich mich, wie sie sich erinnert, einmal auf Russisch unterhalten hatte – so kommt das Gespräch auf Russland, den Kriege gegen die Ukraine etc. Sie merkt an, dass selbst die Propaganda in Russland nicht mehr das sei, was sie einmal war, die Sprache verroht.
Daniela Comani berichtet von ihren Berlin-Erfahrungen – gerade als sie nach dem Studium in Bologna dort war, geschah der Mauerfall – und dann war es so interessant, dass es keinen Grund mehr gab wegzugehen. Schon beneidenswert, das aus nächster Nähe mitzubekommen. Sie ist 10 Jahre älter als ich, hat auch nächste Woche Geburtstag, am 3.2. …