13. 9. – 26. 10. 2024
RE:VISION – 20 Jahre Kunstverein Tiergarten, Berlin
Journal Berlin-Warschau
4.8.24, Sonntag
Am Vortag der Abfahrt nach Warschau noch einmal Museumstag — und unerwartete Einstimmung auf die Reise nach Osteuropa durch einen Aufenthalt im Berliner Osten: Nachdem die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Alten Nationalgalerie überfüllt ist (letzer Tag und kostenloser Museums-Sonntag), zum Stasi-Museum in Lichtenberg. Dort war ich noch nie.
Original-Architektur, mit dem pavillonartig überbauten Eingangsbereich aus ornamentalen Betonelementen – die, wie man später erfährt, nicht zuletzt der Abschirmung der Ankommenden gegen Blicke dienten. Sehr viel auch von der Möblierung noch im bauzeitlichen Zustand der 1950er/60er Jahre. Das Haus wird so gleichzeitig zum Architektur- und Designmuseum und übt so einen – ungeplanten – Reiz aus. Da wäre interessant, inwiefern sich das Ost-Design sich vom zeitgleichen im Westen unterschied, oder ab wann sich da ein eigener Stil entwickelte. Vielleicht noch mehr Hang zum Konstruktiven, Geradlinigen, während es im „Westen“ eher runde, geschwungene Formen waren, siehe die Nierentische etc. Funktionale Elemente neben repräsentativen, z.B. Schiebewände, gestaffelt hintereinander, für die Präsentation von Landkarten. Wuchtige Sessel, mit leuchtend blauen Bezügen, in denen man sich die MfS-Funktionäre bei ihren Sitzungen gut vorstellen kann.
Obwohl man bereits viel weiß: Der Umfang der Bürokratisierung, Katalogisierung, Archivierung der Beobachtungen und Unterlagen über die Observierten doch ganz erstaunlich, v.a. im Stasi-Unterlagen-Archiv gegenüber. Ausstellung über Betroffene, z.B. Gilbert Radulovic, einen damaligen Jugendlichen, der Kontakt zur Anarcho- und Punk-Szene hatte, ein Heftchen zusammenstellte, und massive Probleme bis zur Gefängnishaft bekam.
Einzelne Objekte, z.B. die drehbaren Aktenschränke mit Karteikarten, die an die mittelalterlichen Buchmühlen erinnern; eine Sammlung von Postkarten, die abgefangen und einbehalten wurden – mit herausgeschnittenen und somit separat gesammelten Briefmarken!
Blick ins Gästebuch: Der allgemeine Kommentar „sehr schön!“ fordert eine kritische Replik heraus: „Wo ist da eine Schönheit zu sehen?“
Kontinuitäten der Stasi mit dem russisch/sowjetischen Geheimdienst, auch in der Bezeichnung „Tschekist“ für die Mitarbeiter, v.a. in den 50er-70er Jahren. Insofern gute Einstimmung auf die Reise weiter nach Osten, nach Polen und Litauen, wo ähnliche Überwachung und Drangsalierung herrschte.
Ins Palais Populaire und den Hamburger Bahnhof. Dort nochmal in der Ausstellung von Alexandra Pirici. Diesmal sind Performerinnen aktiv; den Gesang finde ich gut, da er so beiläufig daherkommt; das Rieselnlassen von Sand durch die Hände auch, da sehr einfach. Das Herunterrollen vom Sandhügel hat dagegen schon mehr Theatralisches.
Buchhandlung König. Katalog von Claudia Wieser liegt aus, wie ich neidisch feststelle. Kaufe einen Band von Roland Barthes „Mythen des Alltags“, für die Zugfahrten, die uns erwarten. Schon beim Hineinlesen springen die Thesen und geistreichen Beobachungen einem nur so entgegen.
5.8. Montag
Sehr früh auf, bereits um 3.30. Trotzdem durchzuckt mich beim Läuten des Weckers Erinnerung an angenehmen Traum. Fahrt nach Warschau mit zahlreichen Zwischenstationen, da aus irgendwelchen Gründen keine Direktverbindung möglich ist: Tram von der Osloerstr. zur Warschauerstr., dann S‑Bahn nach Erkner (mit nervös flirrender defekter Anzeigentafel), Regionalzug nach Frankfurt/Oder, von dort aus endlich EC. Ankunft gegen 11.30.
Hotel Tiffi, zentral in der Altstadt, gegenüber der alten Universität, neben der Kunstakademie und einer gutsortierten Buchhandlung. Über die Lage hinaus großzügige Räume. Mit der Einrichtung lässt sich sofort spielen, sie bietet Möglichkeiten anzudocken: die Socken kann man auf einen Lampenschirm zum Lüften legen; die Kleider verteilen. Das Bügelbrett, das sich im Schrank aufgehängt findet, hat skulpturale Qualitäten, erinnert an einen Stele mit Maske. Eine Landkarte von Polen lässt sich per Kleiderbügel (mit Klammern unten) über den Bildschirm hängen. Das Hotelzimmer als Atelierraum, als Fundus, mit dem man, in dem man arbeiten kann.
Zu einem der vorgemerkten Hauptziele, dem neueröffneten Museum POLIN, hinter dem Denkmal für Kämpfer des Warschauer Aufstandes.
Wir sind lange im Museum, bis zur Schließung um 18 Uhr. Es gibt sehr viel zu sehen, zu lesen und zu entdecken, angefangen von der Geschichte der Juden (und damit auch Osteuropas und Polens insgesamt) im Mittelalter über die Neuzeit bis immer näher zur Gegenwart mit den zionistischen Bestrebungen in den 1920ern – und dann, sehr plötzlich, dem Angriff der Deutschen, dem Holokaust.
Zufällig sind wir wieder Anfang August hier, zu den Jahrestagen des Warschauer Aufstands. Überall rot-weiße Binden mit den Farben Polens, Rot-Weiß, so auch am Denkmal. Überall Gedenktafeln, davor Kerzen und Blumen.
Ich fange dann an, in der ganzen Stadt Rot-Weiß zu sehen, auch in den Stoppschildern, den Baustellenabsperrungen, den Schildern mit „Durchfahrt verboten“. Es ließe sich eine Fotoserie mit dem Thema „Rot-Weiß“ machen.
Sehe auf dem Rückweg zum Hotel auch ein Absperrband in Blau-Weiß, mit der Aufschrift „POLICJA“, zwischen einer Hofeinfahrt und einem Parkautomaten über den Gehweg gespannt. So eines habe ich mal in Rom gesehen, in Trastevere, mit der entsprechenden Aufschrift “POLIZIA” und etwas davon mitgenommen. Hier reizt es mich auch, zumal es etwas Verbotenes hat — bei nur geringem Eingriff in den öffentlichen Raum.
Im Hotel mache ich damit eine Serie von Installationen, angefangen mit dem Spiegel, über den ich es quer spanne, bis zum Bett, zur Dusche, die ich so absperre, zum Tatort werden lasse.
Allzuviel Zeit habe ich nicht für die Installationen, was aber auch gut ist, da so das temporäre Moment erhalten bleibt.
Wir sind nur eine Nacht hier, morgen soll es weiter nach Bialystok gehen.
Scaletta (Ewald), 2024
Scaletta (Ewald), 2024, Installation, “Zwischen Licht und Materie — vom Erscheinen und Verschwinden”, Kunstverein Tiergarten, Berlin
„Scaletta (Ewald), 2024“ weiterlesenRückblick — 2023
Hier ein kleiner, persönlich gefärbter Rückblick auf 2023:
„Rückblick — 2023“ weiterlesenWestendstr. 32 — ADAC 1
ADAC 1, 2023
Eine der ersten Installationen dieses Jahr in der Westendstr., mit Material, das mein Vater gesammelt hat, hier mit ADAC-Reisemagazinen.
Archiv BA, Villa Dessauer, Bamberg
Archiv BA 1, 2023
Villa Dessauer, Bamberg
SHORTCUT II, Fotoforum Dresden
Markers, 2023
1 5 2 3 8 RHYTHM SECTION, Kunstverein Augsburg
Archiv BA 4, 2023
Archiv BA 4, 2023, Installation, mixed media, 220 x 50 x 120 cm
Villa Dessauer, Bamberg
STREETS TREES (Breda II), 2022
Breda (I), 2022
Out now: Albert Coers | Carsten Lisecki: TT
Albert Coers | Carsten Lisecki: TT, Icon Verlag, 2021
„Out now: Albert Coers | Carsten Lisecki: TT“ weiterlesenSACRED DISTANCING, 2021
THE IMMUNITY, Galerie der Künstler
COMING SOON, ep.contemporary, Berlin
23.09. – 23.10.2021
ep.contemporary, Berlin
Klepsydra, 2021
Klepsydra, 2021, Video, 4:38 min
„Klepsydra, 2021“ weiterlesenA‑Z, 2021
A‑Z, Ausstellung TT, Galerie F6, Stiftung Künstlerdorf Schöppingen
730 x 250 cm, 26 Objekte, 22 x 7 x 12,5 cm
Caret, 2021
Caret, 2021, Installation, je ca. 33 x 33 x 16 cm
TT, Galerie F6, Künstlerdorf Schöppingen
Cores (Curitiba #4) — inside:OUT Part I
Inside:OUT — Part I, Kunstverein Tiergarten — Galerie Nord
Ina Bierstedt, Albert Coers, Pauline Kraneis, Juliane Laitzsch, Martin Pfahler
12. 2. — 4. 3.2021
„Wer ist Albert?“
KloHäuschen, München
5.2. – 28.2.21
BOOKS TO DO, A—Z, Berlin, 2021
BOOKS TO DO, A—Z, Berlin
21.1.21 — 17.2.21
Gasteig-Encounters, 2020
English
Mit Albert Coers: Gasteig-Encounters erscheint ein Künstlerheft zu JAJA NEINNEIN VIELLEICHT, 15. RischArt_Projekt, im Gasteig München. Coers kombiniert in der Publikation Fotos der postmodernen Architektur des Kulturzentrums mit Bildern aus einem Wörterbuch der Gebärdensprache, erschienen in Ostberlin 1985, zeitgleich zur Eröffnung des Gasteig.
„Gasteig-Encounters, 2020“ weiterlesenGasteig-Encounters, JAJA NEINNEIN VIELLEICHT, Gasteig, München
14-teilige Installation, Druck auf Klebefolie, Alu-Dibond, Papier, A4-A2.
JAJA NEINNEIN VIELLEICHT — 15. RischArt_Projekt 2020, 13.03. – 20.06.2020
Welt, 2016
SIMS, 2015
SIMS, 2015
Installation mit Büchern aus der Sammlung des Kunstvereins Bamberg
Ausstellung Sagen und Zeigen — Schrift in der Kunst, Villa Dessauer, Bamberg, 2015
SIMS [ledge]
Installation with books from the collection of Kunstverein Bamberg
Exhibition Sagen und Zeigen — Schrift in der Kunst [Telling and Showing — Writing, Type, Characters in Art}, Villa Dessauer, Bamberg, 2015
Biblioteca privata B.C., Der leere Raum, Rathausgalerie | Kunsthalle, München 2013
DER LEERE RAUM — Teil 4
Albert Coers, Florian Froese-Peeck, Susu Gorth, Dana Lürken
Rathausgalerie | Kunsthalle München
Marienplatz 2, 80331 München
animalibri, Kunstverein Tiergarten Berlin, 2012
cambio-change, 2011
cambio-change, 2011
Installation, Bekleidung, Schuhe, Socken, Regenschirme, Kassenzettel, Verpackung, Kleiderbügel, Dimensionen variabel,
Kunstraum UniCredit München
ENCYCLOPEDIALEXANDRINA, Goethe-Institut Alexandria
Installation mit Photokopien aus Bibliotheksbüchern, Haftnotizen, Metallregale, Bänden der Brockhaus-Enzyklopädie.
ENCYCLOPEDIALEXANDRINA ist ein Projekt, für das Coers in Alexandria, Ägypten, in der dortigen Bibliothek recherchiert hat. Das gefundene Material, das vom Mythos der Stadt, der Bibliothek und dem Namen handelt, wurde in Form von Kopien aus den Büchern der Bibliothek in einem großformatigen, assoziativen Bild-Text-Geflecht zu einer Installation umgesetzt. Verknüpft werden in dieser künstlerischen Arbeit weitere Städte, denen nichts außer der Name gemein ist: Alessandria/Piemont und Alexandria/Virginia. Sie werden untersucht und in ein gegenseitiges Beziehungsgeflecht gesetzt, so dass ein neues System an Verbindungen entsteht.
Galerie Fikrun wa Fann, Goethe-Institut Alexandria/EGY, 14.12.–31.12.2008
in Zusammenarbeit mit der Bibliotheca Alexandrina.
I SOLITI TITOLI — LITO, 2009
Bücher, 380 x 200 x 60 cm, Künstlerhaus München, Lithografiewerkstatt
Installation mit Büchern aus dem Nachlass des Architekten, der am Wiederaufbau des Gebäudes beteiligt war, in dem die Ausstellung stattfand. Die Bücher sind als architektonisches Material zweckentfremdet, setzen formal die vorhandene Sammlung von Lithografiesteinen fort, üben physisch Druck aufeinander aus.
Es ensteht eine Serie von Installationen, Ausgangspunkt auch für die Fotoserie Müde Bücher.
Books from the inheritance of an architect. Lithographic print office, Künstlerhaus Munich 2009.
C’era una volta, 2008
Diversa, 2007 — Kunstbunker Tumulka
Diversa, 2007
Fundstücke (beschriftete Schachteln), Installation mit Kellerregal
biblioteca XII (wer viel fragt), 2007
19. 7. — 16.9.2007
sandkasten, München
Biblioteca Galleria, Galleria 44, 2005
Rauminstallation, zweiteilig, je 180 x 230 x 30 cm
14.04.–01.05.2005, Galleria Studio 44, Vico Colalanza 12r, 16123 Genua
Kuratiert von Michael Blume / Michele Fiore
Bücher aus aussortieren oder eingelagerten Beständen Genueser Bibliotheken (Goethe-Insitut, Deutsche Schule, Biblioteca Berio, Universitätsbibliothek) werden wieder zum Leben erweckt. In einer tunnelartigen Galerie sind zwei Wände eingezogen, der Durchgang erschwert bzw unmöglich gemacht. In die erste Wand ist ein Bogen (Höhe ca. 150 cm) eingefügt, der die Form des Gewölbes wieder aufnimmt und architektonisches Zitat ist. Die zweite Wand schließt den Gang, so daß seine wahre Länge unbestimmt bleibt und ein kapellenartiger Zwischenraum entsteht.
Mit Unterstützung des Goethe-Instituts Genua.
Trasloco, 2004
Albert Coers: Trasloco, 2004, Installation, Umzugskartons, ca. 165 x 800 x 300 cm, Akademie der Bildenden Künste München
Installation in Raum 111, kurz vor dem Umzug der Klasse wegen Renovierung: Mit von der Hausverwaltung zu Verfügung gestellten Umzugskartons wird das Akademiegebäude im Maßstab 1:22 nachgebaut.
Collezione privata, 2002
Collezione privata. Sammlung, Sichtung, Schichtung
09.10. – 22.10. 2002, AkademieGalerie München
In einem kleinen Kellerraum ist über Jahrzehnte eine Sammlung entstanden: Bernhard C., Kunsterzieher, hat ein umfassendes Bildarchiv angelegt, überwuchert und vermischt mit biographisch-alltäglichen Objekten. Albert Coers, mit dieser Sammlung aufgewachsen, verfrachtet den gesamte Inhalt des Raumes in die AkademieGalerie und schichtet ihn dort auf. Faszinierendes, mit Bedeutung aufgeladenes Baumaterial für eine Skulptur, di e den fragilen Zustand zwischen Ordnung und Chaos ausbalanciert. Regale und Schränke sind herausgelöst und für eine kontrastiv gestaltete Archivsituation verwendet, wo der Besucher Einsicht in ausgewähltes Material nehmen kann. Plakate und Drucke an der Glasfront – als ein programmatisches Destillat der Sammlung – verdecken den Blick des Betrachters von außen und geben ihn nur langsam frei. Beim Abbau wird das Material neu nach Kriterien wie Form, Farbe, Stoff sortiert und in einem Rasterfeld angeordnet.
Collezione privata. Collection, Sifting, Layering
09.10. — 22.10. 2002, AkademieGalerie Munich
In a small basement room a collection has developed over decades: Bernhard C., art educator, has created an extensive picture archive, overgrown and mixed with biographical everyday objects. Albert Coers, who grew up with this collection, ships the entire contents of the room to the AkademieGalerie and piles them up there. Fascinating building material charged with meaning for a sculpture that balances the fragile state between order and chaos. Shelves and cabinets are detached and used for a contrasting archive situation where the visitor can view selected material. Posters and prints on the glass front — as a programmatic distillation of the collection — obscure the viewer’s gaze from the outside and only slowly reveal it. As they are dismantled, the material is sorted anew according to criteria such as shape, color, fabric, and arranged in a grid field.