Jour­nal Berlin-Warschau

4.8.24, Sonn­tag

Am Vor­tag der Abfahrt nach War­schau noch ein­mal Muse­ums­tag — und uner­war­te­te Ein­stim­mung auf die Rei­se nach Ost­eu­ro­pa durch einen Auf­ent­halt im Ber­li­ner Osten: Nach­dem die Cas­par-David-Fried­rich-Aus­stel­lung in der Alten Natio­nal­ga­le­rie über­füllt ist (let­zer Tag und kos­ten­lo­ser Muse­ums-Sonn­tag), zum Sta­si-Muse­um in Lich­ten­berg. Dort war ich noch nie.

Ori­gi­nal-Archi­tek­tur, mit dem pavil­lon­ar­tig über­bau­ten Ein­gangs­be­reich aus orna­men­ta­len Beton­ele­men­ten – die, wie man spä­ter erfährt, nicht zuletzt der Abschir­mung der Ankom­men­den gegen Bli­cke dien­ten. Sehr viel auch von der Möblie­rung noch im bau­zeit­li­chen Zustand der 1950er/60er Jah­re. Das Haus wird so gleich­zei­tig zum Archi­tek­tur- und Design­mu­se­um und übt so einen – unge­plan­ten – Reiz aus. Da wäre inter­es­sant, inwie­fern sich das Ost-Design sich vom zeit­glei­chen im Wes­ten unter­schied, oder ab wann sich da ein eige­ner Stil ent­wi­ckel­te. Viel­leicht noch mehr Hang zum Kon­struk­ti­ven, Gerad­li­ni­gen, wäh­rend es im „Wes­ten“ eher run­de, geschwun­ge­ne For­men waren, sie­he die Nie­ren­ti­sche etc. Funk­tio­na­le Ele­men­te neben reprä­sen­ta­ti­ven, z.B. Schie­be­wän­de, gestaf­felt hin­ter­ein­an­der, für die Prä­sen­ta­ti­on von Land­kar­ten. Wuch­ti­ge Ses­sel, mit leuch­tend blau­en Bezü­gen, in denen man sich die MfS-Funk­tio­nä­re bei ihren Sit­zun­gen gut vor­stel­len kann.

Obwohl man bereits viel weiß: Der Umfang der Büro­kra­ti­sie­rung, Kata­lo­gi­sie­rung, Archi­vie­rung der Beob­ach­tun­gen und Unter­la­gen über die Obser­vier­ten doch ganz erstaun­lich, v.a. im Sta­si-Unter­la­gen-Archiv gegen­über. Aus­stel­lung über Betrof­fe­ne, z.B. Gil­bert Radu­lo­vic, einen dama­li­gen Jugend­li­chen, der Kon­takt zur Anarcho- und Punk-Sze­ne hat­te, ein Heft­chen zusam­men­stell­te, und mas­si­ve Pro­ble­me bis zur Gefäng­nis­haft bekam.

Ein­zel­ne Objek­te, z.B. die dreh­ba­ren Akten­schrän­ke mit Kar­tei­kar­ten, die an die mit­tel­al­ter­li­chen Buch­müh­len erin­nern; eine Samm­lung von Post­kar­ten, die abge­fan­gen und ein­be­hal­ten wur­den – mit her­aus­ge­schnit­te­nen und somit sepa­rat gesam­mel­ten Briefmarken!

Blick ins Gäs­te­buch: Der all­ge­mei­ne Kom­men­tar „sehr schön!“ for­dert eine kri­ti­sche Replik her­aus: „Wo ist da eine Schön­heit zu sehen?“


Kon­ti­nui­tä­ten der Sta­si mit dem russisch/sowjetischen Geheim­dienst, auch in der Bezeich­nung „Tsche­kist“ für die Mit­ar­bei­ter, v.a. in den 50er-70er Jah­ren. Inso­fern gute Ein­stim­mung auf die Rei­se wei­ter nach Osten, nach Polen und Litau­en, wo ähn­li­che Über­wa­chung und Drang­sa­lie­rung herrschte.

Ins Palais Popu­lai­re und den Ham­bur­ger Bahn­hof. Dort noch­mal in der Aus­stel­lung von Alex­an­dra Piri­ci. Dies­mal sind Per­for­me­rin­nen aktiv; den Gesang fin­de ich gut, da er so bei­läu­fig daher­kommt; das Rie­seln­las­sen von Sand durch die Hän­de auch, da sehr ein­fach. Das Her­un­ter­rol­len vom Sand­hü­gel hat dage­gen schon mehr Thea­tra­li­sches.
Buch­hand­lung König. Kata­log von Clau­dia Wie­ser liegt aus, wie ich nei­disch fest­stel­le. Kau­fe einen Band von Roland Bar­thes „Mythen des All­tags“, für die Zug­fahr­ten, die uns erwar­ten. Schon beim Hin­ein­le­sen sprin­gen die The­sen und geist­rei­chen Beob­achun­gen einem nur so entgegen.

5.8. Mon­tag

Sehr früh auf, bereits um 3.30. Trotz­dem durch­zuckt mich beim Läu­ten des Weckers Erin­ne­rung an ange­neh­men Traum. Fahrt nach War­schau mit zahl­rei­chen Zwi­schen­sta­tio­nen, da aus irgend­wel­chen Grün­den kei­ne Direkt­ver­bin­dung mög­lich ist: Tram von der Osloer­str. zur War­schau­er­str., dann S‑Bahn nach Erkner (mit ner­vös flir­ren­der defek­ter Anzei­gen­ta­fel), Regio­nal­zug nach Frankfurt/Oder, von dort aus end­lich EC. Ankunft gegen 11.30.

Hotel Tif­fi, zen­tral in der Alt­stadt, gegen­über der alten Uni­ver­si­tät, neben der Kunst­aka­de­mie und einer gut­sor­tier­ten Buch­hand­lung. Über die Lage hin­aus groß­zü­gi­ge Räu­me. Mit der Ein­rich­tung lässt sich sofort spie­len, sie bie­tet Mög­lich­kei­ten anzu­do­cken: die Socken kann man auf einen Lam­pen­schirm zum Lüf­ten legen; die Klei­der ver­tei­len. Das Bügel­brett, das sich im Schrank auf­ge­hängt fin­det, hat skulp­tu­ra­le Qua­li­tä­ten, erin­nert an einen Ste­le mit Mas­ke. Eine Land­kar­te von Polen lässt sich per Klei­der­bü­gel (mit Klam­mern unten) über den Bild­schirm hän­gen. Das Hotel­zim­mer als Ate­lier­raum, als Fun­dus, mit dem man, in dem man arbei­ten kann.

Zu einem der vor­ge­merk­ten Haupt­zie­le, dem neu­eröff­ne­ten Muse­um POLIN, hin­ter dem Denk­mal für Kämp­fer des War­schau­er Auf­stan­des.
Wir sind lan­ge im Muse­um, bis zur Schlie­ßung um 18 Uhr. Es gibt sehr viel zu sehen, zu lesen und zu ent­de­cken, ange­fan­gen von der Geschich­te der Juden (und damit auch Ost­eu­ro­pas und Polens ins­ge­samt) im Mit­tel­al­ter über die Neu­zeit bis immer näher zur Gegen­wart mit den zio­nis­ti­schen Bestre­bun­gen in den 1920ern – und dann, sehr plötz­lich, dem Angriff der Deut­schen, dem Holokaust.

Zufäl­lig sind wir wie­der Anfang August hier, zu den Jah­res­ta­gen des War­schau­er Auf­stands. Über­all rot-wei­ße Bin­den mit den Far­ben Polens, Rot-Weiß, so auch am Denk­mal. Über­all Gedenk­ta­feln, davor Ker­zen und Blumen.

Ich fan­ge dann an, in der gan­zen Stadt Rot-Weiß zu sehen, auch in den Stopp­schil­dern, den Bau­stel­len­ab­sper­run­gen, den Schil­dern mit „Durch­fahrt ver­bo­ten“. Es lie­ße sich eine Foto­se­rie mit dem The­ma „Rot-Weiß“ machen.

Sehe auf dem Rück­weg zum Hotel auch ein Absperr­band in Blau-Weiß, mit der Auf­schrift „POLIC­JA“, zwi­schen einer Hof­ein­fahrt und einem Park­au­to­ma­ten über den Geh­weg gespannt. So eines habe ich mal in Rom gese­hen, in Tras­te­ve­re, mit der ent­spre­chen­den Auf­schrift “POLI­ZIA” und etwas davon mit­ge­nom­men. Hier reizt es mich auch, zumal es etwas Ver­bo­te­nes hat — bei nur gerin­gem Ein­griff in den öffent­li­chen Raum.
Im Hotel mache ich damit eine Serie von Instal­la­tio­nen, ange­fan­gen mit dem Spie­gel, über den ich es quer span­ne, bis zum Bett, zur Dusche, die ich so absper­re, zum Tat­ort wer­den lasse.

All­zu­viel Zeit habe ich nicht für die Instal­la­tio­nen, was aber auch gut ist, da so das tem­po­rä­re Moment erhal­ten bleibt.
Wir sind nur eine Nacht hier, mor­gen soll es wei­ter nach Bia­lys­tok gehen.

Gas­teig-Encoun­ters, 2020

Eng­lish

Mit Albert Coers: Gas­teig-Encoun­ters erscheint ein Künst­ler­heft zu JAJA NEIN­NEIN VIEL­LEICHT, 15. RischArt_Projekt, im Gas­teig Mün­chen. Coers kom­bi­niert in der Publi­ka­ti­on Fotos der post­mo­der­nen Archi­tek­tur des Kul­tur­zen­trums mit Bil­dern aus einem Wör­ter­buch der Gebär­den­spra­che, erschie­nen in Ost­ber­lin 1985, zeit­gleich zur Eröff­nung des Gasteig. 

„Gas­­teig-Encoun­­ters, 2020“ weiterlesen

Gar­ten, Bil­der, Zug

Eine Aus­stel­lung in Ber­lin leben­der Künst­ler in Zug. Wobei vie­le der„Berliner“ aus der Schweiz, aus Zug selbst stam­men. Und ande­re von woan­ders­her, z.B. wie ich aus Süd­deutsch­land. Also eine Aus­stel­lung, wo ver­schie­de­ne Iden­ti­tä­ten schon von den Teil­neh­mern mit­ge­bracht wer­den, der Orts­be­zug aber eine Rol­le spielt. In einer Stadt, die Rei­se­tä­tig­keit bereits in ihrem Namen beinhal­tet. Was läge näher, als mit dem ent­spre­chen­den Ver­kehrs­mit­tel anzu­rei­sen? Das Spiel mit Iden­ti­tä­ten und Namen gab dann auch den Aus­schlag für die Wahl des Bild­ma­te­ri­als, zusam­men mit dem Aus­stel­lungs­ti­tel „Secret Gar­den“ und dem Ort, einem Gar­ten­haus und –grund­stück, am Ran­de von Zug.

Es erschien nahe­lie­gend, mit Bil­dern aus einem 1985 eben in Ber­lin (Ost) erschie­nen Wör­ter­buch der Gebär­den­spra­che Gehör­lo­ser zu arbei­ten. Dar­stel­lung von Län­der­iden­ti­tä­ten hat­te ich 2016 in Ber­lin-Moa­bit im öffent­li­chen Raum und in der Gale­rie Soy Capi­tán gezeigt.

Secret Gar­den bot Gele­gen­heit, das Bild­ma­te­ri­al neu zu durch­fors­ten, Zusam­men­hän­ge her­zu­stel­len, die zunächst kryp­ti­schen, repro­du­zier­ten Bil­der der Gebär­den­spra­che mit der Gegen­wart des Gar­tens und der Stadt zu kon­fron­tie­ren, sie in ihrer Anord­nung nach dem ABC, die der Sys­te­ma­tik des Wör­ter­bu­ches folgt, als eine Art zei­chen­haf­te Weg­stre­cke hin zum „rea­len“ Gar­ten am Lüs­si­weg zu platzieren.

Das Bild­ma­te­ri­al schien auch geeig­net, da ein impli­zi­tes The­ma der Aus­stel­lung ja die Über­win­dung von Grenzen/Barrieren ist: Ber­lin und Zug lie­gen zwar im deut­schen Sprach­raum, aber weit ent­fernt in unter­schied­li­chen Län­dern, sind auch hin­sicht­lich Grö­ße, Geschich­te, sozia­ler und öko­no­mi­scher Struk­tur, Bevöl­ke­rung, Spra­che sehr ver­schie­den. Gene­rell wird von Kunst und Bil­dern ja ger­ne erwar­tet, dass sie Gren­zen über­win­den. Da schien es inter­es­sant, eine Bil­der­spra­che zu wäh­len, die einer­seits genau die Über­win­dung von (sprach­li­chen) Gren­zen ver­heißt und ermög­licht, ande­rer­seits aber auch Gren­zen von Kom­mu­ni­ka­ti­on auf­zeigt und damit die Erwar­tung ein Stück weit unter­läuft, durch­aus im Sinn des nicht Ein­deu­ti­gen, all­ge­mein Ver­ständ­li­chen, son­dern des Abge­grenzt-Par­ti­ku­la­ren, das ja in „Secret“ (abge­schie­den, geheim­nis­voll) steckt. Denn die Gebär­den­spra­che stellt man sich, da es sich ja um eine visu­el­le Spra­che han­delt, als genu­in inter­na­tio­nal und über­all ver­ständ­lich vor, als eine Art Espe­ran­to, so, wie man sich eben in einem frem­den Land, „mit Hän­den und Füßen“ ver­stän­digt. Aber wenn es auch eine inter­na­tio­na­le Gebär­den­spra­che gibt und Ange­hö­ri­ge ver­schie­de­ner Natio­nen sich rela­tiv schnell ver­stän­di­gen kön­nen, so ist die­ser Code doch natio­nal und regio­nal sehr aus­dif­fe­ren­ziert: Es gibt wie bei gespro­che­nen Spra­chen Dia­lek­te, so etwa eine nord- und eine süd­deut­sche Vari­an­te, und auch kom­mu­na­le Aus­prä­gun­gen. Dass ein Ber­li­ner und ein Zuger sich pro­blem­los ver­stän­di­gen könn­ten, ist also unwahr­schein­lich. Auch ver­än­dert sich die Spra­che lau­fend, je nach sozia­ler Über­ein­kunft, wie man etwa am Bei­spiel ‚Frau’ sehen kann: Da gibt es die Vari­an­te mit Andeu­tung eines Busens, die von den meis­ten Spre­chern als zu offen­sicht­lich auf kör­per­li­che Geschlechts­merk­ma­le bezo­gen nicht mehr ver­wen­det wird, dann das Grei­fen zum Ohr­läpp­chen, um Weib­lich­keit durch Tra­gen von Ohr­rin­gen aus­zu­drü­cken, wor­in sich natür­lich auch Ste­reo­ty­pe ver­ber­gen, schließ­lich eine noch neu­tra­le­re Gebär­de, ein Wischen mit dem Dau­men über die Wan­ge, die bei Spre­chern in Süd­deutsch­land die meist­ge­bräuch­li­che scheint.

Das Bild­ma­te­ri­al des über 30 Jah­re alten Lehr­buchs aus Ost­ber­lin gefiel mir gera­de wegen sei­nes Kon­tras­tes zur Bild­spra­che der Gegen­wart und sei­ner iko­ni­schen Qua­li­tä­ten: Die Dar­stel­ler schei­nen durch die Wie­der­ga­be in kör­ni­gem, oft kon­trast­rei­chen Schwarz-Weiß, nach Klei­dung und Fri­sur tat­säch­lich aus einer ganz ande­ren, weit zurück­lie­gen­den Zeit zu stam­men, ent­fal­ten aber erstaun­li­che Prä­senz in den knap­pen, häu­fig sym­me­tri­schen Bild­aus­schnit­ten, mit ihren Bli­cken und kon­zen­triert-zei­chen­haf­ten Gebär­den, nicht zuletzt durch die Ein­fü­gung von Bewe­gungs­pfei­len, die sie in die Nähe von Pik­to­gram­men und Ver­kehrs­zei­chen rücken.

Inter­es­sant ist dabei, wie Begrif­fe aus der Bota­nik visua­li­siert wer­den: Manch­mal ist es die Andeu­tung der Form und Grö­ße, häu­fig jedoch eine Hand­lung, die mit und an der Pflan­ze voll­zo­gen wird, etwa durch den Akt des Essens, die Kir­sche durch den des Ans-Ohr-Hän­gens, als Schmuck.

Die Gebär­den sind prä­gnant, doch beim Blät­tern im Buch fie­len eini­ge ähn­li­che oder gar iden­ti­sche Gebär­den auf, die jen­seits des Gar­ten­the­mas in ganz ande­re Berei­che führ­ten. Ähn­lich wie in einem Pro­jekt mit bota­ni­schen Buch­ti­teln bzw. Autor­na­men (Biblio­te­ca Bota­ni­ca, 2006, mit Namen wie Klee, Kie­fer, Green) trat dann die Suche nach sol­chen dis­pa­ra­ten, jedoch durch Ana­lo­gien ver­bun­de­nen bzw. ver­bind­ba­ren Begrif­fen in den Vordergrund.

Albert Coers: “Bee­re”, “Mal­ta”, 2017
Instal­la­ti­ons­an­sicht Secret Gar­den, Zug

‚Bee­re’ und ‚Mal­ta’ sind bei­des klei­ne Enti­tä­ten; ‚Kohl’ und ‚Welt’ run­de Kör­per, die durch eine Kreis­be­we­gung dar­ge­stellt wer­den, die Schmuck andeu­ten­de Gebär­de von ‚Kir­sche‘ hat Ver­wandt­schaft mit dem Zei­chen für ‚Frau‘; pflan­zen­haft, von Innen her­aus ent­fal­tet sich ‚Kunst‘. Vor allem wenn ein zusätz­li­cher Kanal, hier die Bewe­gung der Lip­pen, fehlt, ist der Kon­text, in dem ein Bild/Zeichen ver­wen­det wird, für sei­ne Bedeu­tung und Les­bar­keit ausschlaggebend.

Die­se Dop­pel- oder bes­ser Mehr­deu­tig­keit der Zei­chen ist dabei kein Merk­mal der Gebär­den­spra­che: Im Hebräi­schen exis­tie­ren, wenn auf Vokal­zei­chen ver­zich­tet wird, eine Fül­le glei­cher Wort­bil­der, da nur Kon­so­nan­ten geschrie­ben wer­den, im Chi­ne­si­schen erge­ben die­sel­ben Sil­ben­fol­gen, mit unter­schied­li­cher Ton­hö­he und Beto­nung gele­sen, ganz ande­re Bedeu­tun­gen. Genau­so gibt es im Deut­schen Wör­ter glei­cher Schrei­bung, aber unter­schied­li­cher Pho­ne­tik und damit Bedeu­tung (‚sie ras­ten’ – sie ras­ten’), aber auch Wör­ter, die bei glei­cher Aus­spra­che ein gan­zes Bün­del von Bedeu­tun­gen mit sich brin­gen. Ein klas­si­sches Bei­spiel ist der Name der Stadt selbst, in der das Pro­jekt statt­fin­det, Zug (der sich ja auch auf den Kan­ton bezie­hen lässt). Immer­hin 16 ver­schie­de­ne Bedeu­tun­gen zählt das Duden-Wör­ter­buch auf. Bei sol­chen Begrif­fen (erin­nert man sich an das Spiel „Tee­kes­sel“?) wie ‚Zug‘ oder „Hahn“, ist die Poly­se­mie oft auf bild­haft-meta­pho­ri­sche Sprech­wei­se zurück­zu­füh­ren: bei ‚Zug‘ ist das gemein­sa­me Moment das der Bewe­gung, des Zie­hens (auch der Fisch­zug, von dem die Stadt ihren Namen hat), und der (Wasser)hahn steht mit dem gleich­na­mi­gen Tier in form­asso­zia­ti­ver Bezie­hung und wur­de des­halb nach ihm bezeich­net. Übri­gens: Im Lehr­buch der Gebär­den­spra­che fin­det sich kein Bild­zei­chen für ‚Zug’. Wahr­schein­lich, weil das Wort so mehr­deu­tig ist.

Gar­den image, image garden

For an exhi­bi­ti­on of Ber­lin artists in Zug, it was a logi­cal step to work with images from a sign lan­guage dic­tion­a­ry published in 1985, also from (East) Ber­lin. I had shown depic­tions of count­ries’ names in public space in Moa­bit, Ber­lin and in the gal­lery Soy Capi­tán, in 2016.

Secret Gar­den offers an oppor­tu­ni­ty to reapp­rai­se the mate­ri­al and to crea­te con­nec­tions that con­front the (at times cryp­tic) repro­du­ced images of the sign lan­guage with the gar­den and the city today. Obser­ving their hair­styl­es, the style of pho­to­gra­phy and the images, the prot­ago­nists appear to come from a quite dif­fe­rent, far away, time, but they pro­du­ce a remar­kab­le pre­sence with their gazes and con­cen­tra­ted, emble­ma­tic, signing.

Bota­ni­cal con­cepts are visua­li­zed by demons­tra­ti­ons of form and size, but also of cul­tu­ral­ly deter­mi­ned actions per­for­med with and on plants, such as the act of eating (the apple), pre­pa­ra­ti­on (car­rots and salad) and of a playful use for other than that of food (cher­ries as earrings).

Alt­hough the ges­tu­res are clear, while loo­king through the book it was noti­ceable that some simi­lar or even iden­ti­cal signs would re-appear, going bey­ond the bota­ny to quite dif­fe­rent cate­go­ries. In a simi­lar way as the pro­ject Biblio­te­ca Bota­ni­ca, 2006, which fea­tured bota­ni­cal book titles and names of aut­hors such as ‘Klee,’ ‘Kie­fer’ and ‘Green’ (trans­la­tors note — the Ger­man bota­ni­cal terms match the artists’ names), here a search was made for equal­ly dis­pa­ra­te terms which for which ana­lo­gue links could be made. A ‘ber­ry’ and ‘Mal­ta’ are both small enti­ties; a ‘cab­ba­ge’ and the ‘world’ are round bodies repre­sen­ted by a cir­cu­lar move­ment, and the jewel­ry-like sign for ‘cher­ry’ rela­tes to the sign for ‘woman’; plant-like, ‘art’ unfolds from within. When an addi­tio­nal chan­nel is miss­ing, such as the move­ment of the lips here, the con­text in which an image is appli­ed is par­ti­cu­lar­ly decisi­ve for its mea­ning and legi­bi­li­ty. For exam­p­le, the sign fea­turing a rec­tang­le descri­bed with both hands can mean – among other things – ‘pic­tu­re’.

This ambi­gui­ty of the signs howe­ver is not a cha­rac­te­ristic exclu­si­ve to sign lan­guage. In Hebrew, if the­re are no vowels, the­re is a wealth pos­si­ble mea­nings for indi­vi­du­al words, sin­ce only con­so­nants are writ­ten, while in Chi­ne­se the same sequence of syll­ables, with dif­fe­rent pitch and empha­sis, can have a num­ber of com­ple­te­ly dif­fe­rent mea­nings. A clas­sic exam­p­le in Ger­man is this city its­elf, in which the pro­ject takes place, Zug. The Duden dic­tion­a­ry has 16 dif­fe­rent mea­nings (trans­la­tors note: the Duden dic­tion­a­ry is the offi­ci­al refe­rence for the Ger­man lan­guage). In words such as Zug (trans­la­tors note: both the name of the host city, and the word for train, among others) and Hahn, (trans­la­tors note: the Ger­man word for both roos­ter and tap) the poly­se­my is due to pic­to­ri­al-meta­pho­ric forms of speech. In Zug the com­mon moment is in the move­ment, in draught­ing (see also the Fisch­zug (‘fish-draught’) from which the lake­si­de town takes its name), and the (Wasser)hahn (‘tap’, or ‘water-roos­ter’), which has an asso­cia­ti­ve rela­ti­onship with the ani­mal of the same name, which is why it has been named after it. Inci­den­tal­ly, the­re is no sign for Zug in the text­book of sign lan­guage — pro­ba­b­ly becau­se the word is so ambiguous.

(published in Gar­ten­bil­der-Bil­der­gar­ten, 2017, trans­la­ti­on by Oli­ver Walker)


ani­ma­li­bri, Kunst­ver­ein Tier­gar­ten Ber­lin, 2012

Albert Coers: Biblioteca privata R.F.H., C.G.E.B., A.J.C. 2012 (links), Biblioteca vitale, 2011 (Mitte), Biblioteca pendente 2011 (rechts)
Raum 1: Biblio­te­ca pri­vata R.F.H., C.G.E.B., A.J.C. 2012 (links), Biblio­te­ca vita­le, 2011 (Mit­te), Biblio­te­ca pen­den­te 2011 (rechts)
Biblio­te­ca pri­vata R.F.H., C.G.E.B., A.J.C.
Albert Coers: Biblioteca Giardino Zoologico (2012) (links), ENCYCLOPEDIALEXANDRINA
Biblio­te­ca Giar­di­no Zoo­lo­gi­co (2012) (links), ENCY­CLO­PE­DI­A­LEX­AN­DRI­NA, (2012) (rechts)
Albert Coers: I Classici dell'Arte - versione svizzera (2012), Enciclopedia critica dell'arte contemporanea (2012), Biblioteca botanica - fantasmini (2006)
Raum 3: I Clas­si­ci del­l’Ar­te — ver­sio­ne svi­z­zera (2012), Enci­clo­pe­dia cri­ti­ca del­l’ar­te con­tem­po­ra­nea (2012), Biblio­te­ca bota­ni­ca — fan­tas­mi­ni (2006)
Albert Coers: Enciclopedia critica dell'arte contemporanea (2012), I Classici dell'Arte - versione svizzera (2012), I SOLITI TITOLI (2011), Video